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Die EU-Kommission hat am Anfang der Woche (endlich!) den delegierten Rechtsakt zur RED II erlassen, der definiert, was unter „grünem“ Wasserstoff zu verstehen ist.

Lange wurde die Definition der EU-Kommission für „grünen“ Wasserstoff für die RED II (dahinter verbirgt sich die aktuelle Erneuerbare Energien Richtlinie) erwartet. Am 10. Februar 2023 hat die EU-Kommission einen delegierten Rechtsakt erlassen, der diese Definition liefert.

Diese Definition gilt zwar zunächst nur auf europäischer Ebene und nur für den Verkehrssektor. Wir rechnen jedoch damit, dass diese mit der nächsten Novelle der Erneuerbaren Energien Richtline auch für weitere Sektoren zum Tragen kommt und der deutsche Gesetzgeber sich für die nationalen Gesetze eng an dieser Definition orientieren wird. Die Definition ist damit für jedes Wasserstoffprojekt in Deutschland von höchster Brisanz.

Die erste offensichtliche Überraschung ist dabei, dass unter bestimmten Bedingungen sogar mithilfe von Atomenergie hergestellter Wasserstoff für die RED II als “grün” eingestuft werden kann. Für die energieintensive Industrie dürfte aber mindestens genauso interessant sein, wie es mit den Vorgaben zur

  • Zeitgleichheit,
  • Zusätzlichkeit und
  • geographischen Nähe zwischen Stromerzeugung und Elektrolyseur aussieht

und welche Übergangsregelungen der delegierte Rechtsakt vorsieht.

Wir werden die neue Definition schnellstmöglich auswerten und Sie dazu auf dem Laufenden halten.

Die FAQs der EU-Kommission zu der Definition sind hier zu finden, den delegierten Rechtsakt mit der Definition für grünen Wasserstoff haben wir Ihnen hier verlinkt.

Autorinnen: Annerieke Walter
                       Jacqueline Rothkopf

Ab heute, dem 1. September 2022, sind für einen Zeitraum von zunächst sechs Monaten bis zum 28. Februar 2023 die neuen Vorgaben der „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ (kurz EnSikuMaV) zu beachten.

Die Verordnung beinhaltet verschiedene Maßnahmen zur Energieeinsparung für öffentliche und nichtöffentliche Gebäude, die kurzfristig wirken sollen (RGC berichtete).

Private Unternehmen müssen insbesondere folgende Vorgaben kennen:

  • Pflicht zum Geschlossenhalten von Ladentüren und Eingangssystemen im Einzelhandel (§ 10 EnSikuMaV): Für den Einzelhandel gilt, dass bei beheizten Geschäftsräumen Ladentüren und Eingangssysteme, bei deren Öffnung ein Heizwärmeverlust entstehen kann, das dauerhafte Offenhalten untersagt ist. Eine entsprechende Ausnahme besteht immer dann, wenn das Offenhalten für die Funktion des Ein- oder Ausgangs und als Fluchtweg erforderlich ist. 
  • Nutzungseinschränkung beleuchteter Werbeanlagen (§ 11 EnSikuMaV): Die Verordnung enthält zudem eine Betriebsuntersagung von beleuchteten oder lichtemittierenden Werbeanlagen von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages. Ist die Werbeanlage allerdings zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit oder Abwehr anderer Gefahren notwendig und kann kurzfristig nicht durch andere Maßnahmen ersetzt werden, kann hiervon abgewichen werden.
  • Absenkung von Mindestwerten der Lufttemperatur für Arbeitsräume in Arbeitsstätten (§ 12 EnSikuMaV): Für private Arbeitgeber beinhaltet die Verordnung zunächst keine Verpflichtung zur flächendeckenden Temperaturabsenkung. Vielmehr kann der Arbeitgeber sich freiwillig dazu entscheiden, die in § 6 Absatz 1 Satz 1 EnSikuMaV festgelegten Höchstwerte für die Lufttemperatur von öffentlichen Gebäuden umzusetzen. In diesem Zusammenhang ist aktuell allerdings noch ungeklärt, ob die Verpflichtungen aus dem Arbeitsschutzrecht vorgehen.
  • Weitere Verpflichtungen gelten für Wohngebäude (falls vorhanden): U.a. werden Verpflichtungen in Mietverträgen, die Mindesttemperaturen vorsehen, ausgesetzt (§ 3 EnSikuMaV). Hinzukommen verschiedene Informationspflichten (§ 9 EnSikuMaV).

Verstoßen Unternehmen gegen die Vorschriften der Verordnung können nach dem Energiesicherheitsgesetz Bußgelder von bis zu 100.000 Euro drohen. Zudem kann die Behörde Anordnungen treffen.

Die zusammen mit der EnSikuMaV beschlossene EnSimiMaV enthält mittelfristig wirksame Maßnahmen und soll erst zum 1. Oktober 2022 in Kraft treten. Da diese insgesamt zwei Jahre wirksam sein soll, bedarf sie allerdings noch der Zustimmung des Bundesrates (BR-Drs. 407/22).

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Jana Lotz

Im Rahmen des „Fit for 55“-Pakets – RGC berichtete hier – hat die Europäische Kommission diverse Richtlinien mit dem Ziel der Senkung der Treibhausgasemissionen vorgeschlagen. Über einige dieser Vorschläge verhandelte der Rat der Energieminister*innen rund um Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck am 27. Juni 2022 in Luxemburg.

Unter anderem wurden folgende wesentliche Ergebnisse erzielt:

  • Der Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der dazugehörige Netzausbau soll im Rahmen der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) als „Frage des überragenden öffentlichen europäischen Interesses und der öffentlichen Sicherheit“ eingestuft werden. Durch diese Einstufung können Genehmigungsverfahren beschleunigt und Umweltverträglichkeitsprüfungen, z.B. bei der Erneuerung bestehender Erneuerbare-Energie-Anlagen, vereinfacht werden.
  • Das Ausbauziel der Erneuerbaren Energien wird von 32% auf 40% angehoben. Daneben wurden Ziele für die Sektoren Wärme, Verkehr, Gebäude und Industrie beschlossen. Für grünen Wasserstoff in der Industrie legte der Energierat ein verbindliches Ziel von 35% fest.
  • Die Energieminister*innen haben sich zudem erstmals auf ein verbindliches EU-Energieeffizienzziel geeinigt. Danach muss der Primär- und der Endenergieverbrauch in der EU um 9% gesenkt werden. Bei Verfehlung dieses Ziels durch einen Mitgliedstaat treffen diesen konkrete Pflichten zur Nachbesserung.
  • Im Energierat wurde weiterhin die Gasspeicherverordnung angenommen. Die Verordnung dient u.a. der Einführung von Mindestfüllständen in den nationalen Gasspeicheranlagen.

Autorin: Sandra Horn

Gute Nachrichten für Wasserstofferzeuger: Netzentgeltbefreiung voraussichtlich auch ohne Rückverstromung oder Netzeinspeisung

Gute Gründe für die Herstellung von (grünem) Wasserstoff gibt es viele. Gerade jetzt kommt zur Reduzierung des CO2-Foodprints der Wunsch dazu, unabhängiger von russischem Gas zu werden. Deshalb stehen viele Wasserstoffprojekte in den Startlöchern. Für den Erfolg dieser Projekte ist entscheidend, welche Privilegierungen für die Elektrolyseure genutzt werden können.

Eine wichtige Stellschraube: Die Netzentgelte.

Hier stellt sich die Frage, ob die Netzentgeltbefreiung des § 118 Abs. 6 EnWG genutzt werden kann, wenn u.a. Strom für die Wasserstoffelektrolyse aus dem Netz bezogen wird. Denn die Regelung wurde im Grundsatz für bestimmte Stromspeicher geschaffen, während der erzeugte Wasserstoff i.d.R. verbraucht und nicht wie bei einem Stromspeicher rückverstromt werden soll.

Für diese Frage können wir ein positives Signal senden:

Nachdem uns bereits einige Unternehmen berichteten, dass die Befreiung von Behörden gesehen und akzeptiert werde, haben wir selbst von einer der für diese Frage maßgeblichen Stellen eine (wenn auch unverbindliche und allgemeine) Bestätigung für die Netzentgeltbefreiung erhalten!

Wir freuen uns sehr über dieses positive Signal! Es kann jedoch keine bestätigende Rechtsprechung ersetzen und auch nicht über Unsicherheiten im Wortlaut der Regelung hinweghelfen. Deshalb sollte die Befreiung nach wie vor für den konkreten Einzelfall geprüft und geklärt werden.

Sie möchten mehr erfahren? Am 22. September 2022 veranstalten wir gemeinsam mit dem VEA die Veranstaltung: Wasserstoff als Heilsbringer der Energiewende? Einsatzmöglichkeiten, Potentiale und Rechtsrahmen für Unternehmen. Programm und Anmeldung finden Sie hier.

Autorinnen: Annerieke Walter
                       Dr. Franziska Lietz

Russland hat heute angekündigt, die Gaslieferungen nach Deutschland über Nord Stream 1 um 60 % zu kürzen. Laut BNetzA sind die Gasflüsse aber noch stabil.

Die Darstellung Russlands, Wartungsarbeiten seien der Grund für die aktuelle Reduzierung der Liefermenge um 40 %, wird durch die BNetzA nicht bestätigt. Auf die heutige Ankündigung Russlands, die Gasflüsse insgesamt um 60 % zu reduzieren, gab die BNetzA bekannt, die Lage zu beobachten und die Auswirkungen zu prüfen. Derzeit läge der Gasfluss aber stabil bei 59,1 % und falle nicht weiter. Die Versorgungssicherheit in Deutschland sei weiter gewährleistet.

Sobald sich etwas Neues ergibt, unterrichten wir Sie an dieser Stelle.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz

Die Clearingstelle hat eine umfassende Auslegung der Vorschriften zur Förderung bei Leistungserhöhung von Wasserkraftanlagen veröffentlicht.

Wasserkraftanlagen sind oft bereits viele Jahrzehnte alt. Dies führt dazu, dass der eigentliche bzw. erste Inbetriebnahmezeitpunkt meistens weit vor dem Inkrafttreten des ersten EEG liegt.

Wann allerdings durch Umrüstung einer Wasserkraftanlage eine erneute Inbetriebnahme und damit ein erneuter Förderbeginn einer Wasserkraftanlage eintreten kann, war im EEG bislang nicht eindeutig geklärt. Die verschiedenen EEGs der letzten 20 Jahre enthielten immer wieder verschiedene Regelungen, die dem Betreiber einer Wasserkraftanlage eine verbesserte Förderung verschaffen sollten, wenn dieser als „Gegenleistung“ seine Anlage optimierte. Dies konnte bspw. durch die Installation von Fischschutz oder die Erhöhung der Leistung bzw. des Leistungsvermögens der Anlage geschehen. Eine dieser Vorschriften ist § 40 Abs. 2 EEG 2017/2021.

Eine solche Optimierung löste dann im Regelfall nicht nur die Erhöhung des Fördersatzes, sondern rechtlich gesehen auch eine Neu-Inbetriebnahme und damit die Geltung der aktuellen Vorschriften für die Förderung aus. Wer also eine Anlagenoptimierung im Jahr 2017 vornahm und den höheren Fördersatz nutzen wollte, konnte damit die Pflicht auslösen, von der festen Einspeisevergütung in die Direktvermarktung zu wechseln. Tat er dies nicht, verfiel damit auch der Förderanspruch.

Teilweise wurde jedoch auch angenommen, dass die Rechtswirkungen der Vorschrift ((Fingierte) Neu-Inbetriebnahme und deswegen Entfall der Förderung ohne Direktvermarktung) eintreten konnten, wenn der Anlagenbetreiber eine Optimierung der Förderung gar nicht beabsichtigt hatte und eventuell sogar versehentlich die Anlagenleistung erhöht hatte. Dies entwickelte sich dann teilweise dahin, dass es zur Rückforderung der als feste Einspeisevergütung gezahlten Förderung gegenüber dem Anlagenbetreiber kam, weil eine Vermarktung im System der Direktvermarktung unterblieben sei.

Dieser Auffassung hat die Clearingstelle mit dem Hinweis 2021/10-V nun eine Absage erteilt. Sechs Verbände haben während des Hinweisverfahrens entsprechend Stellung genommen.

Die Clearingstelle legt überzeugend dar, dass die Vorschrift des § 40 Abs. 2 EEG 2017 nicht ohne weiteres Zutun des Anlagenbetreibers zu dessen Nachteil eine Neu-Inbetriebnahme auslösen kann. Vielmehr müsse der Anlagenbetreiber nach einer Leistungserhöhung einen Anspruch auf erhöhte Förderung ausdrücklich geltend machen.

Diese Rechtsauffassung ist begrüßenswert, da es unseres Erachtens den Förderregelungen des EEG immanent ist, dass diese stets Anreiz- und Vorteilscharakter zugunsten der Erzeuger erneuerbarer Energien haben sollen. Nachteile „durch die Hintertür“, wenn ein Anlagenbetreiber die Voraussetzungen eines Privilegs unbeabsichtigt erfüllt, könnten demgegenüber nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sein.

Autorin: Dr. Franziska Lletz

Die EU konsultiert noch bis zum 17. Juni 2022 ihren Entwurf eines delegierten Rechtsaktes für die Kriterien für grünen Wasserstoff.

Vor über einem Jahr wurde zu der Frage, wann aus EU-Sicht Wasserstoff „grün“ ist, ein delegierter Rechtsakt auf Basis der Richtlinie Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II (EU) 2018/2001 angekündigt.

Das Warten hat jetzt ein Ende: Vor wenigen Tagen, am 20. Mai 2022, hat die EU-Kommission im Entwurf einen delegierten Rechtsakt zur Definition und Zertifizierung (nach Art. 27 (3) der RED II) für gasförmige und flüssige Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs (sog. #RFNBO) vorgelegt, der u.a. die Kriterien für grünen Wasserstoff definiert.

Der Entwurf ist hier abrufbar.

Parallel wurde ein Entwurf für einen delegierten Rechtsakt zur Berechnung von Treibhausgaseinsparungen (nach Art. 28 (5) der RED II) zur Konsultation gestellt.

Die Entwürfe werden bis zum 17. Juni 2022 zur öffentlichen Konsultation gestellt.

Die kritischen Parameter, die in den vorab bekannt gewordenen Leaks enthalten waren, „Zeitgleichheit“ und „Zusätzlichkeit“ sind weiterhin enthalten.

Die Anforderung der „Zusätzlichkeit“ verlangt nach der aktuellen Fassung, dass die Stromerzeugungsanlage nicht mehr als 36 Monate älter, als die Elektrolyse ist.

Darüber hinaus dürfe die Anlage zur Stromerzeugung keine Förderung erhalten haben („the installation generating renewable electricity has not received support in the form of operating aid or investment aid, excluding support received by installations before the repowering referred to in Article 2(6) and support that does not constitute net support, such as support that is fully repaid“). Erfasst sein dürfte hiermit insbesondere eine frühere Förderzahlung nach dem EEG.

Beide Anforderungen dürften eine wirtschaftliche Wasserstofferzeugung mit ausgeförderten EE-Anlagen voraussichtlich deutlich erschweren.

Die von der EU aufgestellten Anforderungen werden zudem voraussichtlich auch für das deutsche Recht Auswirkungen haben: Die Umlagenbefreiung für grünen Wasserstoff nach dem Entwurf des EnUG sieht zwar eine eigenständige deutsche Verordnung vor, diese soll sich aber an den EU-rechtlichen Kriterien für grünen Wasserstoff orientieren, so der Gesetzgeber (BR-Drs. 162/22):


„…die Anforderungen an Grünen Wasserstoff sind bisher in § 12i EEV a.F: geregelt und sollen in § 26 EnUG überführt werden. In diesem Kontext sollen die Voraussetzungen an das Europarecht angepasst werden, […] unter Berücksichtigung der relevanten EU-rechtlichen Vorgaben aus der Richtlinie (EU) 2018/2001 oder ihrer Überarbeitung nachgetragen.“

Autoren: Dr. Franziska Lietz
                 Annerieke Walter
                 Prof. Dr. Kai Gent

Ein Grund für die anhaltende Energiepreiskrise im Gasbereich sind die niedrigen Füllstände der Gasspeicher in Deutschland. Mit einem Gasspeichergesetz soll der Problemstellung jetzt für die Zukunft entgegengewirkt werden.

Am 25. März 2022 hat der Bundestag nach 2. und 3. Lesung dem „Gesetz zur Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes zur Einführung von Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen (Gasspeichergesetz)“ zugestimmt. Dieses führt einen neuen Teil 3a in das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) ein, welcher die neuen Vorgaben für Gasspeichern enthält.

Bislang spielten Gasspeicher vor allem eine wichtige Rolle im Gashandel. Durch das Ausnutzen von Preisdifferenzen und dem Zeitversatz zwischen Ein- und Ausspeicherung konnten durch An- und Verkauf von Gasmengen Gewinne erzielt werden. Vielfach kauften Gashändler Gas im Sommer günstig ein, um es im Winter auszuspeichern und teuer zu verkaufen. Außerdem spielen Gasspeicher eine wichtige Rolle für den Strommarkt. Die Füllstände werden u.a. genutzt, wenn die Stromerzeugung (insb. aus Erneuerbaren) schwankt bzw. nicht ausreicht, um die Bedarfe zu decken.

Nach dem Gasspeichergesetz sollen die Betreiber von Erdgasspeichern in Deutschland verpflichtet werden, diese schrittweise zu füllen, um mit Blick auf den kommenden Winter die Gasversorgung sicherzustellen und heftige Preisschwankungen zu verhindern. Die Hintergründe des Gasspeichergesetzes erläutert das Bundeswirtschaftsministerium hier.

Künftig soll der sogenannte Marktgebietsverantwortliche, die Trading Hub Europe, verpflichtet werden, die Gasspeicher Schritt für Schritt bis auf 90 % zum 1. November 2022 zu füllen. Zum 1. Oktober soll der Füllstand 80 % betragen; am darauffolgenden 1. Februar 40%. Die Regelungen sollen zunächst bis April 2025 befristet sein.

Zur Erreichung dieser Füllstände sieht das Gasspeichergesetz ein dreistufiges Eskalationsszenario vor: Vorrangig soll die Speicherbefüllung marktbasiert erfolgen. Sollte dies nicht ausreichen, sind Anreize über Ausschreibungen vorgesehen. Dieses neue Instrument nennt sich „Strategic Storage Based Options – SSBO“. Sollte dies nicht ausreichen, werden in einem zweiten Schritt zusätzliche SSBO Sonderausschreibungen stattfinden. Reicht auch dies nicht aus, um die anvisierten Speicherstände zu erreichen, soll in einem dritten Schritt der Marktgebietsverantwortliche selbst Gas einkaufen und damit die Speicher füllen.

Die Mitwirkung der Speicherbetreiber soll außerdem streng sanktioniert werden. Um eine Kapazitätshortung zu vermeiden und die Pflicht-Füllstände sicherzustellen, spricht das Ministerium von einem „Use-it-or-loose-it“-Mechanismus. Das bedeutet, wer eine gebuchte Speicherkapazität nicht nutzt, dem kann sie entzogen und dem Marktgebietsverantwortlichen zur Verfügung gestellt werden, damit sie entweder im Rahmen einer SSBO-Ausschreibung von Dritten oder vom Marktgebietsverantwortlichen selbst befüllt werden können.

Zur Deckung der Kosten für diese Maßnahmen ist eine Umlage auf die Gasnetznutzer geplant. Laut dem Ministerium sei die Höhe dieser Umlage aktuell kaum zu prognostizieren, da nicht abschätzbar sei, inwieweit die Marktmechanismen funktionieren und inwieweit Eingriffe und tatsächlicher Gaseinkauf durch den Marktgebietsverantwortlichen erforderlich werden. Man könnte dies auch so deuten, dass bislang Unklarheit besteht, inwieweit insbesondere Speicherbetreiber, aber auch Gashandelsunternehmen, bei diesen Maßnahmen zur Kooperation bereit sind. Das Ministerium hält es sogar für möglich, dass bei einer Ausspeicherung in Hochpreisphasen, z.B. im Winter sogar Gewinne entstehen und so die Gaskunden entlastet werden können.

Werden solche Pflicht-Füllstände eingeführt, stehen allerdings den bisherigen Funktionen von Gasspeichern nur noch deutlich reduzierte Kapazitäten zur Verfügung. Die Reduzierung dieser Rolle der Gasspeicher als Flexibilitätsinstrument wird bereits von einigen Seiten kritisiert. Es ist außerdem denkbar, dass durch diese Inanspruchnahme der Gasspeicher deutlich höhere Aktivitäten im Strom-Redispatch erfolgen könnten, weil ein Ausgleich von Schwankungen über den Gasmarkt nur noch eingeschränkt möglich ist.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Yvonne Hanke

In unserem Workshop RGC-Fokus zur Energieversorgung in der Krise geben wir Ihnen in 1,5 Stunden einen Überblick über die wichtigsten Rechtsfragen und wichtige Tipps für Industrieunternehmen aus unserer Beratungspraxis.

Seit Monaten steckt der Energiemarkt in der Krise. Mit der gestrigen Ankündigung des Bundeswirtschaftsministeriums, das Verfahren für Nordstream 2 aufgrund der Ukraine-Krise zu stoppen, könnte sich diese Situation noch verschärfen.

Für Industrieunternehmen stellen sich daher aktuell völlig neue Herausforderungen. Wir haben für Sie die wichtigsten Fragestellungen identifiziert und werden diese in unserem RGC-Fokus „Energieversorgung in der Krise – Kündigungen, Insolvenzen, Gasmangel“ am 29.03.2022 von 9:30-11:00 Uhr für Sie einordnen und rechtlich bewerten.

Unseren Themen sind:

  • Energieverträge: Kündigungen, Lieferstopps, Vertrags- und Preisanpassungen:
    Manche Versorger versuchen aktuell, vertraglich ihre wirtschaftlich prekäre Situation – ausgelöst z.B. durch ungünstige langfristige Energieeinkäufe – zu verbessern. In diesem Fall haben sich Unternehmen oft damit auseinanderzusetzen, ob Kündigungen, Lieferstopps, Vertrags- oder Preisanpassungen wirksam sind. Anhand von Praxisbeispielen erläutern wir, welches Vorgehen in typischen Situationen sinnvoll ist.
  • To-Do´s für Industrieunternehmen bei Versorgerinsolvenzen:
    Andere Versorger sind über die Frage von vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten schon hinaus: Sie mussten Insolvenz anmelden, z.B. weil die aktuell extrem hohen Spotmarktpreise für sie nicht mehr zu stemmen sind. Kunden werden von dieser Situation oft überrascht und müssen sich in kürzester Zeit einen neuen Versorger suchen. Preisnachteile sind in diesem Fall die Regel. Wie entsprechende Schadensersatzansprüche verfolgt und ggf. noch nicht ausgezahlte Privilegien „gerettet“ werden können, werden wir ebenfalls im Rahmen der Veranstaltung behandeln.
  • Extremsituation Gasmangel:
    Was passiert, wenn Energieversorgung noch nicht einmal mehr eine Preisfrage ist, sondern die verfügbare Gasmenge nicht mehr zur Versorgung aller Gaskunden ausreicht? Die aktuelle geopolitische Lage macht leider erfoderlich, dass wir auch die Folgen dieses Szenarios einmal juristisch betrachten: Welche Regelungen gelten nach EU- und nationalem Recht für die Gasknappheit? Wer wird noch versorgt, wenn anderen schon das Gas ausgeht? Und was ist Unternehmen in diesen Fällen zu raten?

Hier geht’s zur Veranstaltung, weiteren Infos, Agenda und Online-Anmeldung.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                        Yvonne Hanke
                        Michelle Hoyer, LL.M.

Beschluss der BNetzA verpflichtet den Netzbetreiber zur Einrichtung von Unter-Unterzählpunkten

Hintergrund der Entscheidung ist eine Auseinandersetzung zwischen einem Messstellenbetreiber und einem Anschlussnetzbetreiber über die Einrichtung notwendiger Zählpunkte zur Umsetzung eines Messkonzepts für ein als Kundenanlage betriebenes Büro- und Geschäftshaus. Das Messkonzept sah u.a. für Unterzähler mehrere Ebenen vor. Auf der ersten Ebene hinter dem Summenzähler sollten sich die Unterzähler befinden. Auf der zweiten Ebene hinter dem Summenzähler, also in der Ebene hinter den Unterzählern waren weitere Zähler, also Unter-Unterzähler vorgesehen, über die einzelne Untermieter beliefert werden sollten. Das Messkonzept war so ausgestaltet, dass der Messstellenbetreiber alle Messdaten erfassen, aufbereiten und dem Netzbetreiber bereinigte Messwerte in Excel-Dateiform zur Verfügung stellen wollte. Denn die am Summenzähler und an den Unterzählern der ersten Ebene ermittelten Verbräuche müssen jeweils um die Verbräuche der Unter-Unterzähler korrigiert werden. Dem Netzbetreiber würde trotz dieses Konzepts ein Mehraufwand von ca. 1,5 Std/Jahr entstehen.

Der Messstellenbetreiber war der Auffassung, dass der Netzbetreiber gemäß § 20 Abs. 1d EnWG neben den Zählpunkten für die Unterzähler auch für die Unter-Unterzähler Zählpunkte einrichten müsse. Der Netzbetreiber lehnte dies aus verschiedenen Gründen ab; u.a. war er der Auffassung, dass ein Unterzählpunkt in einer Kundenanlage eine direkte physikalische Verbindung zum Summenzähler und damit zum Netz des Netzbetreibers voraussetze. Darüber hinaus sei das vorliegende Messkonzept nicht massengeschäftstauglich und es bestünde die Gefahr, dass solche (mit Mehraufwand verbundenen) Messkonzepte zukünftig zunähmen.

Die BNetzA entschied die streitige Frage nach dem Scheitern eines Schlichtungsversuchs im Rahmen eines Missbrauchsverfahrens zugunsten des Messstellenbetreibers (Az.: BK6-21-086). Die Vorschrift in § 20 Abs. 1d EnWG verpflichte Netzbetreiber dazu, bilanzierungsrelevante Unterzählpunkte in einer Kundenanlage bereitzustellen. Der Gesetzgeber habe die Pflicht zur Zählpunktbereitstellung erkennbar auf „bilanzierungsrelevante Unterzähler“ erstreckt. Somit käme es maßgeblich darauf an, ob die Unter-Unterzähler für die Realisierung einer Drittbelieferung notwendig seien. Eine Beschränkung auf die erste Ebene von Unterzählern sei der Norm nicht zu entnehmen. Auch eine unmittelbare physikalische Verbindung der Unterzähler sei nicht Gegenstand der Norm. § 20 Abs. 1d EnWG beinhalte die Aussage, dass der Netzbetreiber in einer Kundenanlage überall dort Zählpunkte bereitzustellen hat, die durch einen dritten Stromlieferanten beliefert werden sollen.

Die BNetzA schloss sich auch dem Argument des Netzbetreibers nicht an, wonach das Messkonzept massengeschäftstauglich sein müsste. Zwar sollten Netzzugangsregelungen grundsätzlich massengeschäftstauglich sein; dies gelte aber nicht ausnahmslos.

Zudem stellte die BNetzA klar, dass der Netzbetreiber den Netzzugang nicht ohne sachlichen Grund ausschließen oder erschweren dürfe. Sachliche Gründe für eine Ablehnung des streitgegenständlichen Messkonzepts sah die Behörde indes nicht. Selbst wenn es zu den vom Netzbetreiber befürchteten Verstößen gegen das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG) käme, sei das kein zulässiger Grund, das Messkonzept abzulehnen. Verstöße gegen das MsbG hätten ggf. vertragliche oder aufsichtsrechtliche Konsequenzen gegen den Messstellenbetreiber. Ein abstrakt befürchteter Verstoß gegen das MsbG sei kein Grund, vorsorglich den Netzzugang zu beschränken. Auch weitere Bedenken des Netzbetreibers (z.B. Schwierigkeiten der Sperrung von Unterzählern bei Zahlungsverzug) lehnte die Behörde mit dem Argument ab, dass dies allgemeine Probleme beim Betrieb einer Kundenanlage seien und diese unabhängig vom Messkonzept auftreten können.

Schließlich bewertete die BNetzA den erheblichen Mehraufwand, den der Messstellenbetreiber hätte, wenn er das vom Netzbetreiber geforderte Messkonzept umsetzen müsste (Umstellung der Unter-Unterzähler zu Unterzählern der ersten Ebene durch unmittelbaren Anschluss an den Summenzähler). Dieser Aufwand wurde als erheblich höher eingeschätzt, als der Mehraufwand des Netzbetreibers bei Durchführung des vorgelegten Messkonzepts.

Die vorliegende Entscheidung ist aus Kundensicht erfreulich. Denn sie bringt mehr Klarheit in den Umfang der Verpflichtung aus § 20 Abs. 1d EnWG zur Einrichtung von Unterzählpunkten in Kundenanlagen und einige grundsätzliche Aussagen lassen sich ggf. auf andere Messkonzepte übertragen, wenn es darum geht, Drittbelieferungen über Unterzählpunkte abzuwickeln.

Die BNetzA betont allerdings, dass es sich vorliegend um eine Einzelfallentscheidung zu dem konkreten Messkonzept handele. Bei veränderten Umständen (z.B. Umstellung auf intelligente Messsysteme, Wechsel des Messstellenbetreibers, weitere Zählpunkte u.ä.) müsse der Mehraufwand des Netzbetreibers neu auf seine Zumutbarkeit bewertet werden. Im Zweifel sollten Betreiber von Kundenanlagen oder Messstellenbetreiber ein geplantes Unterzähler-Messkonzept deshalb juristisch bewerten lassen.

Autorin: Tanja Körtke