Welche Kriterien gelten für die Reduzierung von Letztverbrauchern in einer Gasmangellage?
Die Datenabfrage der Bundesnetzagentur ist beendet. Wie geht es weiter? Die BNetzA hat gestern eine Stellungnahme veröffentlicht, in der sie erstmals eine denkbare Rangfolge von Maßnahmen nennt.
Bis zum 16.05.2022 hatte die Bundesnetzagentur eine Datenabfrage bei Industriekunden mit einer Erdgas-Anschlusskapazität ab 10 MWh/h im Hinblick auf eine mögliche Gasmangellage durchgeführt (RGC berichtete). Diese ist nunmehr beendet.
Aber wie geht es weiter?
Es stellt sich vor allem die Frage, welche Schlüsse die BNetzA aus den Ergebnissen ziehen wird. Gestern Abend veröffentlichte die Bundesnetzagentur eine Stellungnahme, in der sie ihr weiteres Vorgehen erläutert.
Hier macht sie zunächst deutlich, dass aufgrund der Komplexität der Sachlage im Falle von Handlungsnotwendigkeiten innerhalb der nächsten Wochen Maßnahmen gegenüber Letztverbrauchern nur im Wege von Allgemeinverfügungen und nur „ratierlich“ erfolgen könnten. Möglich sei „allenfalls eine Unterscheidung nach Branchen“, Einzelverfügungen für bestimmte Letztverbraucher seien mit den derzeit verfügbaren bzw. kurzfristig erhältlichen Daten nur „in außergewöhnlichen Einzelfällen möglich“.
Je länger die Vorlaufzeit sei, umso detailliertere Abwägungsentscheidungen seien möglich. Dann könnten auch ökonomische, ökologische und soziale Folgen auf Basis der Ergebnisse der Datenabfrage berücksichtigt werden. Diese sollen künftig auf der sog. Sicherheitsplattform, die ab Oktober 2022 einsatzbereit sein soll, handhabbar gemacht werden.
In ihrer Stellungnahme macht die Bundesnetzagentur auch Ausführungen zu möglichen Maßnahmen, unterteilt in „Erhöhung des Angebots“ und „Reduktion der Nachfrage“, wie bspw. Anordnung von Substitution des Energieträgers Erdgas, Anordnungen von Exportreduktionen, Anordnung von Verbrauchsreduktionen oder Abschaltung von Netzgebieten.
Bei der Abwägung, ob und wie eine solche Anordnung stattfindet, kämen – ohne Nennung einer Wertigkeit – die folgenden sechs Kriterien zum Tragen:
- Dringlichkeit der Maßnahme, insbesondere in Abhängigkeit der Ausprägung der Gasmangelsituation
- Größe der Anlage und deren Gasbezug und somit die Wirkung einer Gasversorgungsreduktion
- Vorlaufzeit zur Gasbezugsreduktion bzw. eines geordneten Herunterfahrens der Produktionsanlagen oder benötigte Vorlaufzeit zur Anpassung der Produktionsketten an einen verminderten Bezug
- zu erwartende (volks-/betriebs-) wirtschaftliche Schäden
- Kosten und Dauer der Wiederinbetriebnahme nach einer Gasversorgungsreduktion, sofern möglich
- Bedeutung für die Versorgung der Allgemeinheit
Zu begrüßen ist, dass die Bundesnetzagentur ankündigt, dass man jedenfalls künftig auch die bislang nicht in die Abfrage einbezogenen Zusammenhänge von Lieferketten betrachten und bei der Abwägung heranziehen wolle. Aus unserer Sicht ist eine solche Sichtweise dringend geboten und wird für eine verhältnismäßige Abwägungsentscheidung in vielen Fällen unerlässlich sein.
Darüber hinaus nennt die BNetzA weitere Aspekte, die sie bei der Abwägungsentscheidung als relevant ansieht, wie bspw. Anlagenschäden, Gesundheitsrisiken, den Schutz kritischer Infrastrukturen oder Aspekte des Tierschutzes.
Schließlich betont die BNetzA, dass eine feste Abschaltrangfolge nicht geplant sei, vielmehr wolle man stets lageangepasst die mildesten Mittel ergreifen. Hierzu nennt sie eine mögliche Abstufung der denkbaren Maßnahmen, bezeichnet diese aber lediglich als „vorstellbar“.
Eine Möglichkeit zur Diskussion des geplanten Vorgehens dürfte unter anderem der energate Webtalk mit Klaus Müller, bei dem auch RGC-Rechtsanwältin Yvonne Hanke mitwirken wird, bieten. Hier geht es zur Anmeldung.
Auch in unserem 2. kostenfreien Mandantenbriefing am 02.06.2022 (Anmeldung hier) werden wir vertieft auf die Aussagen der Bundesnetzagentur eingehen und diese für Sie bewerten.
Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
Yvonne Hanke