Schlagwortarchiv für: Energiepolitik

Nach dem Energiesicherungsgesetz und der Gassicherungsverordnung ist die BNetzA verpflichtet, den „lebenswichtigen Bedarf“ an Gas sicherzustellen. In einem Informationsschreiben erläutert die BNetzA, dass sowohl bei „geschützten“ als auch bei „nicht geschützten Kunden“ ein solch lebenswichtiger Bedarf bestehen kann. Was genau zu den lebenswichtigen Bedarfen gehöre, werde derzeit noch ermittelt.

Die Bundesnetzagentur hat gestern (05.09.2022) ein Schreiben veröffentlicht, indem sie auf den lebenswichtigen Bedarf bei geschützten und nicht geschützten Kunden in einer nationalen Gasmangellage eingeht. Der Begriff des „lebenswichtigen Bedarfs“ spielt im Falle der Ausrufung der Notfallstufe des Notfallplans Gas eine entscheidende Rolle. Denn mit Ausrufung der Notfallstufe kann die BNetzA Entscheidungen über hoheitliche Maßnahmen treffen, welche insbesondere die Deckung dieses Bedarfs sicherstellen sollen.

Eine der möglichen Maßnahmen ist die Anweisung zur Reduzierung des Gasverbrauchs bei bestimmten Letztverbrauchern. Eine solche Anweisung könne grundsätzlich sowohl gegenüber nicht geschützten, als auch gegenüber geschützten Kunden ergehen. Auch der „European Gas Demand Reduction Plan“ sehe den Gasbezug bei geschützten Kunden als teilweise nicht lebenswichtig an. Nicht geschützte Kunden werden allerdings regelmäßig in größerem Umfang von einer Reduktionsanordnung betroffen sein, da bei ihnen der Anteil am „lebenswichtigen Bedarf an Gas“ geringer ausfällt, als bei den geschützten Kunden.

Nach den Ausführungen der BNetzA gelten entsprechend der Regelung im EnWG (§ 53a) nur folgende Gaskunden als „geschützt“:

  1. Haushaltskunden;
  2. Kunden mit einer Ausspeiseleistung von max. 500 kWh pro Stunde und einer jährlichen Gasentnahme von maximal 1.500 MWh, also insbesondere kleine und mittlere Unternehmen;
  3. Letztverbraucher, die Haushaltskunden zum Zwecke der Wärmeversorgung beliefern;
  4. Fernwärmeanlagen, die keinen Brennstoffwechsel vornehmen können, soweit sie Haushaltskunden, Kunden nach Nr. 2 (s.o.) und Kunden, die grundlegende soziale Dienste erbringen, beliefern;
  5. Kunden, die grundlegende soziale Dienste erbringen, insb. Dienste in den Bereichen der Gesundheitsversorgung, essenziellen sozialen Versorgung, Notfallversorgung, Sicherheit, Bildung oder öffentlichen Verwaltung.

Beispielhaft nennt die BNetzA unter anderem Krankenhäuser, Strom- und Wasserversorger, Abwasserbeseitiger und Abfallentsorger.

Alle Kunden, die nicht zu den oben aufgezählten gehören, gelten dementsprechend als „nicht geschützt“. Bei diesen Kunden sei regelmäßig eine umfangreichere Reduktionsanweisung möglich, als bei geschützten Kunden.

Auch bei nicht geschützten Kunden wird allerdings der „lebenswichtige Bedarf“ berücksichtigt. Hierzu gehöre beispielsweise die Herstellung lebenserhaltender Medikamente, die nicht importiert werden können. Eine weitergehende Erläuterung des lebenswichtigen Bedarfes enthält das Schreiben der BNetzA nicht. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass derzeit ermittelt werde, welche weiteren schutzwürdigen Bedarfe es gebe.

Kriterien für die Priorisierung im Rahmen der Gaseinsparung bei nicht geschützten Kunden sieht unter anderem der “European Gas Demand Reduction Plan“ vor. Danach sind in abgestufter Reihenfolge soziale Kriterien (insb. Gesundheit, Sicherheit, Umwelt, Lebensmittel etc.), grenzübergreifende Lieferketten, Substitutions- und Reduktionsmöglichkeiten, Schäden und zuletzt wirtschaftliche Erwägungen heranzuziehen.

Die Bedeutung der Wertschöpfungsketten will die BNetzA insbesondere auf der Grundlage der in Auftrag gegebenen Vulnerabilitätsstudie vergleichbar machen (RGC berichtete). Das finale Ergebnis der Vulnerabilitätsstudie mit einem Bericht und Datensätzen zu den Wertschöpfungsketten soll bis zum 28. Oktober vorliegen. Zwei weitere Zwischenberichte sind für den 30. September und den 14. Oktober vorgesehen.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz
                       Annika Rott

Die Bundesregierung hat letzte Woche (31.08.2022) Änderungen im Immissionsschutzrecht beschlossen. Umfasst sind Ausnahmen von Ableitbedingungen für Abgase sowie für Anlagen zur Abfallaufbereitung. Für die Lagerung entzündlicher Gase soll das vereinfachte Genehmigungsverfahren angewandt werden können.

Mit den geplanten Änderungen sollen Sonderregelungen zur Bewältigung der Gasmangellage geschaffen werden. Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), die in einem spezifischen Zusammenhang mit der Gasmangellage durchzuführen sind, sollen erleichtert und beschleunigt werden.

So soll unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und vor Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Errichtung sowie dem Betrieb von Anlagen begonnen werden können (§ 31e BImSchG-E). Wenn dies zur Beschleunigung des Verfahrens beiträgt, sollen die Verfahrenserleichterungen auch für bereits begonnene Verfahren gelten (§ 31k BImSchG-E). Voraussetzungen sind insbesondere eine „ernste oder erhebliche Gasmangellage“ sowie die Beantragung der Genehmigung im Zusammenhang mit einem Brennstoffwechsel, einem Fehlen von Betriebsmitteln für Abgaseinrichtungen oder einer anderen „durch die ernste oder erhebliche Gasmangellage ausgelösten Notwendigkeit“.

Eine ernste bzw. erhebliche Gasmangellage liegt nach der überarbeiteten Gesetzesbegründung nunmehr explizit mit Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas vor, sodass sie vom Anlagenbetreiber nicht erneut nachgewiesen werden muss.

Die Schwelle bis zu der Anlagen zur Lagerung entzündbarer Gase (insb. Erdgas, Flüssiggas und LNG) im vereinfachten Verfahren genehmigt werden, soll durch die Änderung der 4. BImSchV von 30 Tonnen auf 50 Tonnen angehoben werden. Sie entspricht damit i.d.R. der Schwelle, ab der das Störfallrecht auf die jeweiligen Anlagen anwendbar ist.

Weitere Erleichterungen sieht § 31f BImSchG-E im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Danach können die grundsätzlich erforderlichen Auslegungs- und Einwendungsfristen verkürzt werden. Auf die Durchführung eines Erörterungstermines soll grundsätzlich verzichtet werden.

Für bestimmte Anlagen, die in der Gasmangellage für max. zwei Jahre benötigt werden und ein Fassungsvermögen von nicht mehr als 200 Tonnen haben, soll eine befristete Genehmigung im vereinfachten Verfahren erteilt werden können (§ 31h BImSchG-E).

Die zuständigen Behörden sollen Ausnahmen von Emissionsgrenzwerten (TA Luft) und Immissionsrichtwerten (TA Lärm) erteilen können, ohne dass eine Änderungsanzeige oder Änderungsgenehmigung notwendig ist (§§ 31g, 31i, 31j BImSchG-E). Voraussetzung ist insbesondere, dass die Überschreitung der Werte im Zusammenhang mit einem Brennstoffwechsel steht oder notwendige Betriebsmittel für Abgaseinrichtungen wegen der Gasmangellage nicht ausreichend zur Verfügung stehen oder eine andere durch die Gasmangellage ausgelöste Notwendigkeit besteht. In jedem Fall ist eine ernste und erhebliche Gasmangellage erforderlich. Laut Gesetzesbegründung soll die Gewährung von Ausnahmen weit angewandt werden.

Bei Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Abluftreinigung wegen fehlendem Gas nur noch eingeschränkt funktionsfähig ist. Um Stilllegungen zu vermeiden, sieht der Entwurf zur Änderung der 30. BImSchV-E daher vor, dass auch bei diesen Anlagen Abweichungen von genehmigten Emissionswerten zugelassen werden können.

Mit der Änderung der 44. BImSchV-E soll eine weitere Möglichkeit für befristete Ausnahmen von Ableitbedingungen für Abgase eingeräumt werden. Dies betrifft insbesondere die erforderliche Höhe von Schornsteinen. Als möglicher Anwendungsbereich wird der kurzfristige Einsatz mobiler Wärmeerzeuger genannt, welche typischerweise nicht die nach der Verordnung erforderliche Schornsteinhöhe aufweisen.

Mit der Änderung des BImSchG will sich der Bundestag noch im September befassen. Den Verordnungen muss der Bundesrat noch zustimmen. Mit einem Inkrafttreten der Vorschriften ist daher voraussichtlich im Oktober zu rechnen.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Annika Rott
                       Yvonne Hanke

Robert Habeck hat gestern (Montag) die Ergebnisse des Stresstests für das Stromnetz vorgestellt. Unter anderem sollen die beiden AKWs Isar 2 und Neckarwestheim noch für einige Monate als Reserve am Netz bleiben.

Nachdem bereits ein erster Stresstest für das Stromnetz von März bis Mai mit positivem Ergebnis durchgeführt worden war, wurde nunmehr ein zweiter Stresstest unter verschärften Bedingungen mit Blick auf den kommenden Winter abgeschlossen. Den Stresstest haben die vier deutschen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, TenneT und TransnetBW im Auftrag des BMWK durchgeführt.

Die Verschärfung gegenüber dem ersten Stresstest bestand insbesondere darin, dass eine extremere Strompreisentwicklung, ein Ausfall von Gaslieferungen in höherem Umfang, Dürre, Niedrigwasser in den Flüssen, ein größerer Ausfall der Atomstromerzeugung in Frankreich sowie geringe Windkraftausbeute in Bayern angenommen wurden. Der zweite Stresstest nimmt zudem in besonderem Maße das Zusammenspiel mit den elf europäischen Nachbarländern Deutschlands in den Blick.

Gestern Abend stellte Robert Habeck die Ergebnisse in einer Pressekonferenz vor. Ergebnis des zweiten Stresstests sei es, dass stundenweise krisenhafte Situationen im Stromsystem im Winter 22/23 zwar sehr unwahrscheinlich seien, aber nicht vollständig ausgeschlossen werden könnten. Robert Habeck betonte, dass eine Reihe von Unsicherheitsfaktoren bestünden, die sich mit der Trockenheit dieses Sommers noch einmal deutlich verschärft hätten. Unter bestimmten Umständen und in ganz bestimmten Situationen könnten sich diese Risiken bündeln.

Gegen eine nicht gänzlich auszuschließende kurzzeitige Lastunterdeckung oder Stromausfälle seien daher zusätzliche Maßnahmen zu empfehlen, von denen einige neu und einige bereits umgesetzt oder geplant sind. Dies betrifft bspw. die Bildung von Reserven und die Reaktivierung stillgelegter Kohlekraftwerke. Weitere Maßnahmen – wie der Ausbau der Stromproduktion in Biogasanlagen sowie eine höhere Auslastung der Stromnetze sowie Verbesserung der Transportkapazitäten – sind in der unmittelbaren Vorbereitung und mit einer dritten Novelle des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG 3.0) geplant.

Darüber hinaus kündigte Robert Habeck auch eine neue, zeitlich sowie inhaltlich begrenzte AKW-Einsatzreserve an: Die beiden Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim sollen danach noch bis Mitte April 2023 als Reserve für den Süden der Bundesrepublik zur Verfügung stehen. Allerdings werde am Atomausstieg wie geplant festgehalten: Grundsätzlich sollen die drei derzeit noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke planmäßig Ende 2022 regulär vom Netz gehen.

Weitere Details zu den im Stresstest geprüften Szenarien und der geplanten Kraftwerksreserve finden Sie in der Pressemitteilung des BMWK.

Aktuelle rechtliche Entwicklungen zur Gasmangellage werden Gegenstand unseres 17. Kanzleiforums sein, zu Informationen und Anmeldung gelangen Sie hier.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz

Das Kabinett soll sich bereits am 14. September mit Änderungen der Gaspreisanpassungsverordnung (GasPrAnpV) befassen.

Der politische Druck hatte den Bundeswirtschaftsminister Habeck bereits veranlasst, eine Überarbeitung der Gasbeschaffungsumlage anzukündigen (RGC berichtete). Die Änderungen werden derzeit durch das BMWK entworfen. Die Umlage selbst soll aber zunächst erhalten bleiben.

Den aktuellen Stand finden Sie hier. Über die Änderung der Gaspreisanpassungsverordnung (in ihr ist die Gasbeschaffungsumlage geregelt) soll hiernach voraussichtlich am 14. September im Kabinett beschlossen werden.

Auch vor diesem Hintergrund gilt: Zahlungen auf die neue Umlage sollten lediglich unter Vorbehalt erfolgen. Sprechen Sie uns gern an, wenn wir Sie bei Fragen hierzu unterstützen können.

Ergänzender Hinweis: Bei der Gasbeschaffungsumlage handelt es sich um die sog. „saldierte Preisanpassung“ nach § 26 EnSiG i.V.m. der GasPrAnpV, nicht um die individuelle Preisanpassung über die Lieferkette nach § 24 EnSiG. Der Gesetzgeber hat den Weg einer (der EEG-Umlage vergleichbaren) Umlage auf den Gasverbrauch gewählt. Daneben ist § 24 EnSiG nicht anwendbar.

Und selbstverständlich gehört auch der Umgang mit den neuen Umlagen und gestiegenen Energiepreisen zu den Themen, die wir mit Ihnen auf unserem 17. Kanzleiforum zum Thema „Gas in der Krise“ (live, zur Agenda und Anmeldung gelangen Sie hier) diskutieren wollen.

Autorin: Yvonne Hanke

Angesichts der angespannten und sich verschärfenden Situation auf den Energiemärkten haben die deutschen wie die europäischen Entscheidungsträger verschiedene Maßnahmenpakete angekündigt, welche die Auswirkungen der zuletzt dramatisch gestiegenen und teilweise stark schwankenden Börsenpreise auf die Strom- und Gasverbraucher begrenzen sollen. Hier berichten wir über den Stand der Überlegungen auf EU-Ebene.


EU kündigt Sofort-Maßnahmen und Überarbeitung Strommarktdesign an.

Die EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen kündigte in der letzten Woche ein Notfallpaket und eine Strukturreform des Strommarktes auf europäischer Ebene an. Die EU-Kommission hat hierfür erste Maßnahmenvorschläge in einem informellen Non-paper formuliert:

Einführung Preiskappungssystem: Im Fokus steht die europaweite Ermöglichung einer Preisgrenze für Stromverkäufe am Day-ahead-Markt (nicht langfristig eingekaufte Energiemengen) für alle Energien, die günstigere Grenzpreise als Gaskraftwerke haben. Hintergrund ist insbesondere das an den europäischen Strommärkten geltende Merit-Order-Prinzip. Nach diesem Prinzip bestimmt der zuletzt „eingekaufte“ – und damit der am teuersten produzierte Strom den Preis. Das ist derzeit der aus Erdgas erzeugte Strom. Dies hatte zuletzt zu extremen Preissprüngen am Strommarkt gesorgt.

Hierüber erzielte „Zufallsgewinne“ von Energieunternehmen, die günstiger Strom produzieren (also nicht aus Gas, sondern z.B. aus erneuerbaren Energien, Kohle oder Kernkraft) sollen „abgeschöpft“ werden und dann den Verbrauchern zufließen. Auf welchem Weg dieser Rückfluss erfolgen soll (es werden verschiedene Ansätze diskutiert), ist noch genauso offen, wie die Frage, inwieweit hier eine europaweite Lösung erreichbar ist. Deutschland hat bereits angekündigt, diesen Weg anderenfalls auch allein zu beschreiten (RGC berichtete).

Eher zurückhaltend wird aktuell die von einigen Mitgliedstaaten vorgeschlagene Senkung der Strompreise durch Entkopplung von den Gaspreisen über eine Abschaffung des Merit-Order-Prinzips von der Kommission bewertet. Das gleiche gilt für eine (Quer-)Subventionierung der Energieproduzenten, weil beides den Wettbewerb zu nachhaltig beeinträchtige.

Dringend abgeraten wird seitens der Kommission von einer Aussetzung der Stromgroßhandelsmärkte, einer Übernahme der Märkte durch den Staat oder einer generellen Kappung der Strompreise im Großhandel. Dies berge eigene große Risiken für die Versorgungssicherheit, schade dem Elektrizitätsbinnenmarkt und den Dekarbonisierungs-Bemühungen.

Erste Hinweise zu weiteren Schritten der EU werden am 14. September 2022 in der Rede von Ursula von der Leyen in ihrer Rede zur Lage der Union erwartet. Das Non-paper dürfte aber bereits am kommenden Freitag auf dem kurzfristig anberaumten Sondertreffen zu steigenden Energiepreisen am 9. September 2022 direkt unter den EU-Energieministern diskutiert werden.

Dass der Termin auf den Tag gelegt wurde, an dem auch unser 17. Kanzleiforum zum Thema „Gas in der Krise“ (live, zur Agenda und Anmeldung gelangen Sie hier) stattfindet, ist Zufall. Es zeigt aber die Aktualität der Themen, die wir mit Ihnen diskutieren wollen.

Autorin: Yvonne Hanke

Angesichts der angespannten und sich verschärfenden Situation auf den Energiemärkten haben die deutschen wie die europäischen Entscheidungsträger verschiedene Maßnahmenpakete angekündigt, welche die Auswirkungen der zuletzt dramatisch gestiegenen und teilweise stark schwankenden Börsenpreise auf die Strom- und Gasverbraucher begrenzen sollen. Hier berichten wir zunächst über das von Deutschland geplante Maßnahmenpaket.

Koalition beschließt 3. Entlastungspaket

Am Wochenende (03.09.2022) hat der Koalitionsausschuss getagt und ein 65 Mrd.-schweres Entlastungspaket beschlossen, um die „erwarteten hohen Preissteigerungen“ abzufedern. Die angekündigten Maßnahmen sind vielfältig. Für energieintensive Unternehmen dürften insbesondere folgende von Relevanz sein:

  • Strompreisbremse „für den Basisverbrauch“ / Reduzierung des Kostenanstieges bei den Netzentgelten / Abschöpfung von sog. Zufallsgewinnen bei Energieunternehmen / Überarbeitung Strommarktdesign:

    Unter den vorstehenden Stichworten werden verschiedene Maßnahmen diskutiert. Geplant ist eine Strompreisbremse „für den Basisverbrauch“ und eine Reduzierung (des erwarteten Anstiegs) der Netzentgelte. Finanziert werden soll das über eine Abschöpfung von „Zufallsgewinnen“ bei Energieunternehmen. Hintergrund ist insbesondere das an den europäischen Strommärkten geltende Merit-Order-Prinzip. Nach diesem Prinzip bestimmt der zuletzt „eingekaufte“ – und damit der am teuersten produzierte Strom den Preis. Das ist derzeit der aus Erdgas erzeugte Strom. Dies hatte zuletzt zu extremen Preissprüngen am Strommarkt gesorgt.

    Die Koalition strebt nun an, hierüber erzielte „Zufallsgewinne“ bzw. „Übergewinne“ von Energieunternehmen, die günstiger Strom produzieren (also nicht aus Gas, sondern z.B. aus erneuerbaren Energien, Kohle oder Kernkraft), „abzuschöpfen“. Hierfür sollen Höchstwerte für Erlöse aus dem Verkauf von nicht aus Gas produzierten Strommengen am Spotmarkt festgelegt werden. Die Differenz zwischen Großhandelspreis und Erlösobergrenze soll nach den aktuellen Überlegungen über eine „umgekehrte EEG-Umlage“ unter Beteiligung der Netzbetreiber vereinnahmt und an die Endverbraucher verteilt werden. Wenn kurzfristig eine europäische Einigung nicht erzielt werden kann, soll auch eine rein deutsche Umsetzung erwogen werden.

    Aber Achtung:
    Zum einen ist aus Unternehmenssicht noch unklar, wer überhaupt von den geplanten Entlastungen (Strompreisbremse „für Basisbedarf“ und Dämpfung des Anstiegs bei den Netzentgelten) profitieren kann. Angekündigt ist dies neben den Haushaltskunden lediglich für kleine und mittelständische Unternehmen „mit Versorgertarif“.

    Zum anderen müssen sich auch energieintensive Unternehmen, die PV- oder Windenergieanlagen betreiben / planen und den (Überschuss-)Strom verkaufen (wollen), auf (erneute) Änderungen der Rahmenbedingungen einrichten. Denn eine „Erlösobergrenze für Anlagen der Stromerzeugung mit geringer Kostenbasis“ soll nach den aktuellen Plänen auch für Energieerzeuger außerhalb des Strommarktes entwickelt werden.

  • Entlastungen beim CO2-Preis: Die für den 1. Januar 2023 anstehende Erhöhung des CO2-Preises um fünf Euro pro Tonne im Brennstoffemissionshandel soll um ein Jahr auf den 1. Januar 2024 verschoben werden. Entsprechend sollen sich die bisher vorgesehenen Folgeschritte 2024 und 2025 um ein Jahr verschieben.
  • Wärmemarkt: Mit Hilfe einer Expertenkommission sollen preisdämpfende Modelle (EU / Deutschland) untersucht werden. 
  • Unternehmenshilfen: Die bereits bestehenden Hilfsprogramme für Unternehmen sollen bis zum 31.Dezember 2022 verlängert werden. Das entspricht der momentanen Laufzeit des beihilferechtlichen Rahmens der Europäischen Kommission (kurz: TCF). Dazu gehört insbesondere das Energiekostendämpfungsprogramm zur Entlastung von besonders energie- und handelsintensiven Unternehmen, kurz EKDP (RGC berichtete hier und hier). Darüber hinaus soll das Programm für weitere Unternehmen, die nicht auf der KUEBLL-Liste stehen, mithilfe erweiterter Kriterien, die die Belastung durch hohe Energiepreise zur Grundlage haben, geöffnet werden. Sobald diese feststehen, lohnt es sich also nochmals zu prüfen, ob man den nicht rückzahlbaren Zuschuss in Anspruch nehmen kann. Hierbei unterstützen wir Sie. Sprechen Sie uns gern an.

    Auch eine Ausweitung des KfW-Programms soll geprüft werden, mit dem Ziel zukunftsfähige Unternehmen zu stabilisieren, die aufgrund von Gasmangellage bzw. nicht tragfähiger Energiepreise sonst temporär ihre Produktion einstellen müssen.

    Darüber hinaus soll ein (noch nicht näher konkretisiertes) Programm für energieintensive Unternehmen, welche die Steigerung ihrer Energiekosten nicht weitergeben können, neu aufgelegt werden.

    Zudem soll der Förderrahmen für Unternehmen bei Investitionen in Effizienz- und Substitutionsmaßnahmen erweitert werden (ebenfalls noch nicht näher konkretisiert).

  • Spitzenausgleich energieintensive Unternehmen: Um die energieintensiven Unternehmen angesichts der hohen Preise zu unterstützen, wird der sogenannte Spitzenausgleich bei den Strom- und Energiesteuern um ein weiteres Jahr verlängert. Auch hier hält das Gegenleistungsprinzip Einzug: Unternehmen, die von diesem Spitzenausgleich profitieren, sollen Maßnahmen ergreifen, um den Verbrauch der Energie zu reduzieren.
  • (Dauerhafte) Abschaffung EEG-Umlage: Die bereits seit dem 1. Juli 2022 nicht mehr zu zahlende EEG-Umlage (RGC berichtete) soll ab 1. Januar 2023 dauerhaft abgeschafft werden.
  • Zudem sind Erleichterungen bei der Insolvenzantragspflicht geplant.
  • Zur Finanzierung der Mehrausgaben soll die globale Mindeststeuer vorzeitig eingeführt werden. Wie hoch diese ist und wer sie zahlen muss, erklärt das BMF hier.

Die (offiziellen) Ergebnisse des Stresstests für den Strommarkt, anhand derer die deutsche Regierung entscheiden will, ob bzw. inwieweit ein Weiterbetrieb der drei noch laufenden Atomkraftwerke angestrebt wird, liegen laut Auskunft des BMWK demgegenüber noch nicht vor.

Was für Ihr Unternehmen jetzt zu tun ist, diskutieren wir mit Ihnen am kommenden Freitag während unseres Kanzleiforums (live, zur Agenda und Anmeldung gelangen Sie hier). Über die weiteren Entwicklungen halten wir Sie selbstverständlich auch hier informiert.

Autorin: Yvonne Hanke

Am Wochenende wird bekannt, dass zunächst kein Gas über Nord Stream 1 nach Deutschland fließen wird.

Nach der neuerlichen, ursprünglich nur für 3 Tage anberaumten Wartung der Gas-Pipeline Nord Stream 1 hat Russland am Samstag (03.09.2022) angekündigt, den Gashahn zunächst nicht wieder aufzudrehen. Inwieweit die Mengen durch andere Fernleitungen ausgeglichen werden, bleibt offen.

Die BNetzA hob in ihrer letzten Szenarienberechnung hervor, dass nach ihrer Einschätzung – auch wenn diese 20 % kontinuierlich fließen – weitere Einsparungen in Höhe von mindestens 20 % (Haushalte und Industrie) deutschland- und europaweit erforderlich wären, um (teilweise) über diesen (!) Winter 22/23 zu kommen. Diese 20 % fehlen nun erstmal.

Das BMWK meldet derweil, dass bereits große Erfolge zur Unabhängigkeit von russischem Gas und zur Sicherstellung der Gasversorgung Deutschlands erreicht seien (z.B. in Sachen Gas-Speicherstände, LNG-Beschaffung und Flüssiggasterminals, u.a.; zum Überblick). Auch die BNetzA hält die Versorgungslage derzeit noch für stabil. Sie schließt eine kurzfristige Verschlechterung jedoch nicht aus und warnt vor weiter steigenden Energiepreisen.

Was Sie nun erwarten müssen und wie Sie Ihr Unternehmen hierauf bestmöglich vorbereiten, diskutieren wir mit Ihnen am kommenden Freitag während unseres Kanzleiforums (live, zur Agenda und Anmeldung gelangen Sie hier). Über die weiteren Entwicklungen halten wir Sie selbstverständlich auch hier informiert.

Autorin: Yvonne Hanke

Ab heute, dem 1. September 2022, sind für einen Zeitraum von zunächst sechs Monaten bis zum 28. Februar 2023 die neuen Vorgaben der „Verordnung zur Sicherung der Energieversorgung über kurzfristig wirksame Maßnahmen“ (kurz EnSikuMaV) zu beachten.

Die Verordnung beinhaltet verschiedene Maßnahmen zur Energieeinsparung für öffentliche und nichtöffentliche Gebäude, die kurzfristig wirken sollen (RGC berichtete).

Private Unternehmen müssen insbesondere folgende Vorgaben kennen:

  • Pflicht zum Geschlossenhalten von Ladentüren und Eingangssystemen im Einzelhandel (§ 10 EnSikuMaV): Für den Einzelhandel gilt, dass bei beheizten Geschäftsräumen Ladentüren und Eingangssysteme, bei deren Öffnung ein Heizwärmeverlust entstehen kann, das dauerhafte Offenhalten untersagt ist. Eine entsprechende Ausnahme besteht immer dann, wenn das Offenhalten für die Funktion des Ein- oder Ausgangs und als Fluchtweg erforderlich ist. 
  • Nutzungseinschränkung beleuchteter Werbeanlagen (§ 11 EnSikuMaV): Die Verordnung enthält zudem eine Betriebsuntersagung von beleuchteten oder lichtemittierenden Werbeanlagen von 22 Uhr bis 16 Uhr des Folgetages. Ist die Werbeanlage allerdings zur Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit oder Abwehr anderer Gefahren notwendig und kann kurzfristig nicht durch andere Maßnahmen ersetzt werden, kann hiervon abgewichen werden.
  • Absenkung von Mindestwerten der Lufttemperatur für Arbeitsräume in Arbeitsstätten (§ 12 EnSikuMaV): Für private Arbeitgeber beinhaltet die Verordnung zunächst keine Verpflichtung zur flächendeckenden Temperaturabsenkung. Vielmehr kann der Arbeitgeber sich freiwillig dazu entscheiden, die in § 6 Absatz 1 Satz 1 EnSikuMaV festgelegten Höchstwerte für die Lufttemperatur von öffentlichen Gebäuden umzusetzen. In diesem Zusammenhang ist aktuell allerdings noch ungeklärt, ob die Verpflichtungen aus dem Arbeitsschutzrecht vorgehen.
  • Weitere Verpflichtungen gelten für Wohngebäude (falls vorhanden): U.a. werden Verpflichtungen in Mietverträgen, die Mindesttemperaturen vorsehen, ausgesetzt (§ 3 EnSikuMaV). Hinzukommen verschiedene Informationspflichten (§ 9 EnSikuMaV).

Verstoßen Unternehmen gegen die Vorschriften der Verordnung können nach dem Energiesicherheitsgesetz Bußgelder von bis zu 100.000 Euro drohen. Zudem kann die Behörde Anordnungen treffen.

Die zusammen mit der EnSikuMaV beschlossene EnSimiMaV enthält mittelfristig wirksame Maßnahmen und soll erst zum 1. Oktober 2022 in Kraft treten. Da diese insgesamt zwei Jahre wirksam sein soll, bedarf sie allerdings noch der Zustimmung des Bundesrates (BR-Drs. 407/22).

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Jana Lotz

Das OLG Nürnberg hat in einer aktuellen Entscheidung einen strengen Maßstab bei der anzuwendenden Sorgfalt sowie der wirksamen Delegation bei Compliance-Sachverhalten angelegt.

Ein Urteil aus dem Frühjahr diesen Jahres befasst sich mit der Haftung eines Geschäftsführers für Compliance-Verstöße eines Mitarbeiters. Zwar ging es hier konkret um einen Fall von untreuem Verhalten. Dennoch lassen sich die wesentlichen Gedanken auch auf Compliance-Verstöße im Bereich des Energie-, Umwelt- Klima- oder Arbeitsschutzrechtes übertragen. Dies könnte z.B. unzureichende oder falsche Meldungen im Hinblick auf Förderungen oder Privilegien betreffen.

In § 43 Abs. 1 GmbHG ist geregelt, dass der Geschäftsführer in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden hat. Selbstverständlich kann der Geschäftsführer nicht jede einzelne anfallende Pflicht selbst erledigen bzw. die Erledigung überwachen. Aus diesem Grund hat er grundsätzlich die Möglichkeit zur Delegation von Pflichten. Das OLG Nürnberg (OLG Nürnberg, Endurteil v. 30.03.2022 – 12 U 1520/19) machte in seiner Entscheidung jedoch deutlich, dass an eine wirksame Delegation hohe Anforderungen bestehen.

Das OLG stellte diesbezüglich fest, dass Organisationspflichten und somit auch die Pflichten zur Einführung und Umsetzung von Compliance-Maßnahmen bzw. eines Compliance Management Systems direkt aus der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsführers folgen.

Zu den von einem Geschäftsführer geforderten „geeigneten organisatorischen Vorkehrungen“ zur Verhinderung von Pflichtverletzungen durch Mitarbeiter gehörten auch Kontrollmaßnahmen. Der Geschäftsführer müsse „sofort eingreifen, wenn sich Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten zeigen“.

Der Geschäftsführer könnte zwar auch diese Überwachungspflicht auf ihm unterstellte Mitarbeiter delegieren. Dann müsse er aber deren Aufgabenerfüllung beaufsichtigen und überwachen. Folglich bleibe der Geschäftsführer – auch bei mehrstufiger Delegation – quasi als Oberaufsicht verantwortlich.

Unterlässt der Geschäftsführer die Schaffung einer Unternehmensorganisation, die die Wahrung des Vier-Augen-Prinzips für schadensträchtige Tätigkeiten erfordert und eine angemessene Überwachung, kann dies dazu führen, dass er seine Pflichten nicht wirksam delegiert hat und er persönlich für hierdurch entstehende Schäden haftet.

Im Ergebnis kann man die vom OLG aufgezeigten Risiken nur mit einer durchdachten und sorgfältig aufgebauten Compliance-Organisation reduzieren. Insbesondere ein geeignetes IT-System zum Compliance-Management ist hierzu geeignet.

Für das Energie-, Umwelt- und Klimarecht bieten wir mit unserer RGC-Manager Websoftware eine praxisgerechte Lösung. Weitere Informationen erhalten Sie auf unserer Webseite www.rgc-manager.de. Sofern Sie an einer unverbindlichen und kostenfreien Demo unserer Software interessiert sind, wenden Sie sich an Herrn Füglein fueglein@ritter-gent.de.

Autorin: Dr. Franziska Lietz

Die Trading Hub Europe GmbH (THE) hat in einer Pressemitteilung die Entgelte und Umlagen veröffentlicht, die ab dem 1. Oktober 2022 anfallen werden. Daneben stellt sie FAQ-Dokumente zu den verschiedenen Entgelten und Umlagen zur Verfügung. Gleichzeitig wurde von Bundeskanzler Olaf Scholz eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas bekannt gegeben.

Nachdem bereits die Höhe der Gasbeschaffungsumlage veröffentlicht wurde (RGC berichtete hier), legt die THE nun auch die weiteren Entgelte und Umlagen fest. Die offizielle Pressemitteilung der THE finden Sie hier.

Festgelegt werden unter anderem die Bilanzierungsumlage in Höhe von 5,70 EUR/MWh für SLP- bzw. 3,90 EUR/MWh für RLM-Kunden. Zudem wird neben dem Konvertierungsentgelt für die Konvertierung von H-Gas nach L-Gas in Höhe von 0,45 EUR/MWh eine Konvertierungsumlage in Höhe von 0,38 EUR/MWh zur Deckung der Kosten der kommerziellen und technischen Konvertierung erhoben.

Erstmals wird die Gasspeicherumlage auf Basis des § 35e EnWG in Rechnung gestellt – diese beträgt 0,59 EUR/MWh und dient der Sicherung der Füllstandsvorgaben für Gasspeicheranlagen.

Das VHP-Entgelt wurde auf 0,00148 EUR/MWh festgelegt und wird dem abgebenden und dem aufnehmenden Bilanzkreisverantwortlichen bei jeder nominierten Übertragung von Gasmengen in Rechnung gestellt.

Neben der Veröffentlichung der Entgelte und Umlagen hat die THE zwei FAQ-Dokumente zur Verfügung gestellt – eines für die Gasbeschaffungs- sowie die Gasspeicherumlage und ein zweites für die sonstigen Entgelte und Umlagen. Darin beantwortet die THE grundlegende Fragen zu den Entgelten und Umlagen, wie z.B. zum jeweiligen Hintergrund, zu Berechnungsmethoden und zur Art und Weise der Erhebung.

Zudem gab Bundeskanzler Olaf Scholz bekannt, dass die Mehrwertsteuer auf Erdgas von 19% auf 7% für die Dauer der Erhebung der Gasbeschaffungsumlage, also bis März 2024, gesenkt werde. Damit reagiert die Bundesregierung auf die Ablehnung der EU, die Gasbeschaffungsumlage komplett von der Mehrwertsteuer zu befreien. Letzteres sei mit EU-Recht nicht vereinbar. Eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Erdgas sei hingegen möglich, sodass diese nun umgesetzt wird.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz
                       Sandra Horn