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THE hat die Produktbeschreibung zum sog. „Gasauktionsmodell“ veröffentlicht. Es soll planmäßig zum 1. Oktober 2022 starten. Die Hoffnung, dass hiermit ein Modell geschaffen wird, das echte wirtschaftliche Anreize zur Einsparung von Gas bei energieintensiven Verbrauchern setzt, dürfte enttäuscht werden.

Das BMWK und die BNetzA hatten den Marktgebietsverantwortlichen für Gas – die Trading Hub Europe GmbH (kurz THE) – damit beauftragt, ein zusätzliches Regelenergieprodukt, das sog. Gasauktionsmodell, zu entwickeln. Große Letztverbraucher von Gas sollen hierüber die Möglichkeit erhalten, der THE „Abschaltpotenziale“ im Gasbereich anzubieten (RGC berichtete hier).

Nun hat THE die Produktparameter des neuen Regelenergieprodukts „Load Reduction“ (kurz LRD) auf ihrer Internetseite veröffentlicht und ermöglicht präqualifizierten Anbietern, Angebote abzugeben.

Energieintensive Unternehmen, die gehofft hatten, über diese Plattform einen kalkulierbaren Gegenwert für planbare Gaseinsparungen (z.B. im Rahmen von vorgezogenen Wartungsarbeiten an gasbetriebenen BHKW, verlängerten Betriebsferien oder zuletzt auch Kurzarbeit u.a.) erzielen zu können, werden in dieser Hoffnung voraussichtlich eher enttäuscht.

Zum einen können sich – wie schon länger bekannt – ausschließlich Bilanzkreisverantwortliche (das ist in der Regel der Versorger / Lieferant) präqualifizieren und Angebote einstellen. Wer Abschaltpotenziale einstellen will, muss also zumindest einen Vertrag mit seinem Versorger schließen, der alle Details (technisch und wirtschaftlich) regelt.

Ein stärkeres Hemmnis dürften aber die Anforderungen an die Bereitstellung des Lastpotenzials sein. Hier nur ein paar Beispiele aus der Produktbeschreibung der THE:
Die Stunde, in der THE das Angebot zur Lastreduktion abruft, um einen regionalen Engpass auszugleichen (ob und wann nicht vorhersehbar), gibt letztlich vor, welche physische Einsparung zu realisieren ist.

Die in dieser Stunde vom RLM-Kunden verbrauchte Leistung (konkret: „die an der bzw. den Referenzentnahmestelle/n gemessene Ausspeisemenge in der Stunde, in welcher der Abruf erfolgt“) bildet die Referenzmenge. Zu diesem ist eine Leistungsreduzierung für den angebotenen Zeitraum zu realisieren. Konkret muss „die Leistung ausgehend von der Referenzmenge in Höhe der (durch THE) abgerufenen Menge“ so reduziert werden, dass im Abrufzeitraum die Summe der tatsächlichen stündlichen Ausspeisung/en der Referenzentnahmestelle/n (Entnahmestelle des RLM-Kunden) die Differenz aus der Referenzmenge und der angebotenen Losgröße nicht überschreiten.

Und: Die Verbrauchsänderung, sprich die Leistungsreduzierung, darf erst zielgerichtet auf Grund des Abrufs erfolgen. Sie darf insbesondere nicht bereits zum Zeitpunkt des Abrufs „veranlasst gewesen sein“. Der Versorger / Bilanzkreisverantwortliche muss die gesamte Zeit weiter physisch einspeisen – so dass für das Netz die erforderliche Entlastung durch eine echte physische Gasverbrauchsreduzierung beim Letztverbraucher erzielt wird.

Dagegen ist es noch das kleinere Übel, dass auf Grund des Auktionsmodells auch nur derjenige im Ernstfall den Zuschlag erhält, der hierfür das günstigste Angebot gemacht hat.

Damit handelt es sich beim Gasauktionsmodell in erster Linie um ein marktliches Instrument, welches es THE ermöglicht, kurzfristige regionale Engpässe im Gasnetz zu verwalten. Auch das ist im Ernstfall wertvoll. Es stellt sich aber die Frage, inwieweit die weiterhin erforderlichen Gasverbrauchsreduzierungen in der Industrie hierdurch angereizt werden können.

Sollten Sie Interesse daran haben, sich Gasbezugseinsparungen vergüten zu lassen, schauen Sie in Ihren Gasliefervertrag, ob er das zulässt, und in § 50g EnWG und sprechen Sie mit Ihrem Versorger. Dieser ist in fast allen Fällen ohnehin einzubeziehen.

Industrieunternehmen sollten sich daher von der Nutzung des Gasauktionsmodells nicht allzu viel versprechen. Wir empfehlen, vorrangig zu prüfen, welche Flexibilitäten der konkrete Gasliefervertrag bietet (z.B. Rückgabe von Gasmengen an den Lieferanten zum Börsenpreis abzüglich Dienstleistungsgebühr/Aufwandspauschale o.ä.). Zu prüfen ist auch die Nutzung der neuen Flexibilisierungsmöglichkeiten aus § 50g EnWG: Dessen Absatz 1 setzt grundsätzlich Mindestabnahmeverpflichtungen außer Kraft und ermöglicht dem Unternehmen den Weiterverkauf nicht benötigter Mengen; Abs. 2 legt für Industriekunden mit einer Anschlussleistung von mehr als 10 MWh/h sogar fest, dass der Lieferant nicht benötigte Mengen abzüglich einer Aufwandspauschale von 10 Prozent an der Börse zugunsten des Kunden verkaufen muss. In den meisten Fällen erscheint es insoweit stets ratsam, Gespräche mit dem Versorger aufzunehmen und sich über geeignete Flexibilisierungsmöglichkeiten abzustimmen.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz

Die Energiekrise kann dazu führen, dass individuelle Netzentgelte im Bereich Strom gefährdet sind. Konkret betrifft dies die 7.000-Std.-Regelung und die Atypik. Aktuell hat die BNetzA unter bestimmten Anforderungen deren Fortgeltung aus 2021 angeordnet und konsultiert parallel einen diesbezüglichen Entwurf mit kurzer Frist.

Der geänderte § 118 Abs. 46 EnWG enthält seit der letzten Novelle eine Verordnungsermächtigung, mittels derer neue Regelungen für individuelle Netzentgelte im Kontext der Energiekrise geschaffen werden können (RGC berichtete).

Nunmehr hat die BNetzA ein Eckpunktepapier veröffentlicht und konsultiert dieses mit kurzer Stellungnahmefrist bis zum 5.10.2022. Diese Konsultation können Sie hier einsehen.

Laut BNetzA ist mit der geplanten Festlegung bezweckt, Unternehmen, die im Zusammenhang mit einem Gasmangel bereit und in der Lage wären, durch Verminderung ihres Gasbezuges ihre Produktion zu reduzieren, nicht noch zusätzlich dadurch zu belasten, dass diese in Folge einer damit verbundenen Anpassung ihres Netznutzungsverhaltens auch noch ihren sich aus § 19 Abs. 2 S. 2-4 StromNEV ergebenden Anspruch auf Netzentgeltreduktion verlieren.

Im Grundsatz soll die Festlegung ermöglichen, dass Unternehmen, die im Jahr 2021 ein individuelles Netzentgelt erhalten haben, dieses auch für das Jahr 2022 erhalten sollen, sofern die Alarmstufe gilt. Auch für die Bemessung der Vollbenutzungsstundenzahl soll auf die Werte aus dem 2021 abzustellen sein. Für die Berechnung des physikalischen Pfades sollen allerdings die aktuellen Verbrauchsdaten aus dem Jahr 2022 maßgeblich sein. Eine Neuanzeige soll nur dann erforderlich werden, wenn sich für das Jahr 2022 die Voraussetzungen im Hinblick auf das individuelle Netzentgelt geändert haben. Zudem enthält die Festlegung Anforderungen, wie der Netznutzer seinen verminderten Gasbezug nachzuweisen hat.

Für den Zeitraum, bis die Festlegung in Kraft ist, hat die Bundesnetzagentur diesbezüglich bereits eine sog. vorläufige Anordnung nach § 72 EnWG erlassen. Dies dürfte der nahenden Frist für die Anzeige zum 30.9. geschuldet sein. Auch die vorläufige Anordnung enthält den Grundsatz der Fortgeltung individueller Netzentgelte aus dem Jahr 2021 sowie Nachweispflichten, wie insbesondere eine Gegenüberstellung zum Vorjahresverbrauch.

In diesem Kontext ist schließlich auch noch darauf hinzuweisen, dass der aktuelle Entwurf für ein EnSiG 3.0 (RGC berichtete) noch eine weitere Ergänzung des § 118 EnWG enthält. Ein geplanter §118 Abs. 46a EnWG regelt weitere Festlegungskompetenzen für die Flexibilisierung der Last industrieller Großverbraucher. Dies soll insbesondere die Flexibilisierung der Regelungen zu den individuellen Netzentgelten betreffen, z.B. um es Industrieunternehmen zu erleichtern, Regelenergie anzubieten.

Dieser lautet in der Entwurfsfassung wie folgt:

„(46a) Um die Flexibilisierung der Netznutzung zu fördern, kann die Regulierungsbehörde durch Festlegung nach § 29 Absatz 1 für den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2023 Regelungen zu den Sonderfällen der Netznutzung und den Voraussetzungen für die Vereinbarung individueller Entgelte für den Netzzugang treffen, die von einer Rechtsverordnung nach § 24 abweichen oder eine Rechtsverordnung nach § 24 ergänzen. Im Rahmen einer Festlegung nach Satz 1 kann die Regulierungsbehörde insbesondere

  1. die Methoden zur Ermittlung sachgerechter individueller Netzentgelte näher ausgestalten und
  2. die Voraussetzungen anpassen oder ergänzen, unter denen im Einzelfall individuelle Entgelte für den Netzzugang vorgesehen werden können.

Voraussetzungen nach Satz 2 Nummer 2 können insbesondere auch auf eine von den Unternehmen bei ihrem Strombezug zu erreichende Benutzungsstundenzahl bezogen sein sowie Vorgaben dazu sein, wie bei der Bemessung oder Ermittlung einer erforderlichen Benutzungsstundenzahl eine Teilnahme von Unternehmen am Regelleistungsmarkt oder eine Reduzierung ihres Strombezugs bei einer in der Festlegung bestimmten Preishöhe am börslichen Großhandelsmarkt für Strom zu berücksichtigen ist. Sofern eine Vereinbarung über individuelle Netzentgelte bis zum 30. September 2021 oder bis zum 30. September 2022 bei der Regulierungsbehörde angezeigt wurde, die angezeigte Vereinbarung rechtmäßig ist und die Voraussetzungen der Vereinbarung im Jahr 2021 oder 2022 erfüllt worden sind, darf die Regulierungsbehörde nicht zu Lasten der betroffenen Unternehmen von den Voraussetzungen abweichen. Sonstige Festlegungsbefugnisse, die sich für die Regulierungsbehörde aus einer Rechtsverordnung nach § 24 ergeben, bleiben unberührt.“

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Yvonne Hanke

Unsere Materialien von unserem 17. Kanzleiforum „Gas in der Krise“ stehen nun auch für alle diejenigen, die nicht teilnehmen konnten, zum Download zur Verfügung.

Am 8. und 9. September haben wir mit rund 200 Teilnehmern bei unserem 17. RGC-Kanzleiforum das Thema „Gas in der Krise“ diskutiert. Wir freuen uns noch immer sehr über die zahlreiche Teilnahme und die schöne Gelegenheit, einmal wieder mit unseren Mandanten persönlich ins Gespräch zu kommen.

Leider konnten jedoch nicht alle von Ihnen dabei sein. Aufgrund vielfacher Nachfrage möchten wir daher auch denjenigen Mandanten und Interessenten, die nicht teilnehmen konnten, unsere umfangreichen Präsentationsunterlagen zur Verfügung stellen. Diese können Sie unter folgenden Link zum Preis von 150 € exkl. USt. erwerben und für eigene Zwecke nutzen.

Ihr RGC-Team

Presseberichten zufolge wird die Gasumlage aktuell überarbeitet, vor allem soll der Kreis der Begünstigten beschränkt und die Inanspruchnahme an zusätzliche Voraussetzungen geknüpft werden.

Die Gasumlage, die ab dem 1.10. auf Grundlage von § 26 EnSiG und einer konkretisierenden Verordnung erhoben werden soll, ist stark umstritten. Neben dem Umstand, dass sie sämtliche aus dem Netz bezogenen Gasverbräuche mit 2,4 ct pro kWh belastet und damit für Unternehmen erschwerend zu den ohnehin stark steigenden Energiepreisen hinzukommt, steht ihre Konformität mit dem deutschen Verfassungsrecht in der Diskussion.

Ein maßgebliches Argument, warum die Gasumlage in ihrer derzeitigen Ausgestaltung nicht mit dem Verfassungsrecht konform gehen soll, ist der Umstand, dass die Umlage auch Unternehmen begünstigen soll, die durch die Steigerung von Kosten des Gasbezuges nicht in Bedrängnis geraten sind.

Aus der Terminübersicht des Bundestages ist ersichtlich, dass eine Befassung mit der Novelle der Gasumlage sowie des EnSiG insgesamt („Zweites Gesetz zur Änderung des EnSiG“) in der nächsten Sitzung am 23.9. stattfinden soll. Nach einer ersten Lesung am 13.10. und Anhörungen am 17.10. soll geplant sein, die Novelle am 20./21. Oktober in 2. und 3. Lesung zu verabschieden. Die Gasumlage soll für die Bilanzkreisverantwortlichen weiterhin zum 1.10. planmäßig an den Start gehen, eine erstmalige Weitergabe an die Gasimporteure aber frühestens zum 31.10. erfolgen.

Wesentliches Ziel der Änderungen ist es, den Kreis der Begünstigten zu optimieren und strengere Regeln für die Inanspruchnahme zu schaffen. Geplant ist daher die Eingrenzung des Begünstigtenkreises auf Unternehmen, die einen Anteil von 1% am deutschlandweiten Gasverbrauch liefern. Wären also bislang noch 12 Unternehmen berechtigt, Vorteile aus der Gasumlage in Anspruch zu nehmen, so könnten einige kleinere Gasimporteure aus dem Berechtigtenkreis herausfallen. Auch sollen die begünstigen Unternehmen ihrer Führungsebene keine Boni auszahlen und dürfen in dem Quartal, in dem sie den Vorteil erhalten, keine Gewinne machen. Geplant ist außerdem im Zuge dieser Novelle, die Gasumlage auch auf Fernwärmekunden auszuweiten.

Mit diesen Maßnahmen werden zwar einige wichtige, aber nicht alle Kritikpunkte an der Gasumlage behoben. Weiterhin bleibt es bspw. bei dem Umstand, dass der Kreis der Belasteten Fragen aufwirft. Belastet sind bspw. weiterhin auch Biomethan-Kunden, bei deren Lieferanten die Beschaffungskosten nicht gestiegen sind, oder Unternehmen, die ihr Gas direkt an der Börse kaufen und damit die drastischen Preissteigerungen ohnehin selbst tragen und durch die Gasumlage zusätzlich belastet wären.

Darüber hinaus wirft auch die geplante Verstaatlichung von Uniper finanzverfassungsrechtliche Fragen im Zusammenhang mit der Gasumlage in ihrer derzeitigen Konzeption auf, vertiefend hier.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz


Im Zusammenhang mit der Gas(-preis-)krise hat der Gesetzgeber zahlreiche Gesetzesänderungen in diesem Sommer auf den Weg gemacht. Auch beim Redispatch für KWK-Anlagen ergeben sich Neuerungen, welche den bisherigen Vorrang von KWK-Anlagen in vielen Fällen aufheben.

Im EnWG ist der Redispatch 2.0 geregelt, der dem Netzbetreiber aus Gründen seiner Verantwortung für das Netz (sog. Systemverantwortung) unter bestimmten Umständen erlaubt, in angeschlossene Anlagen einzugreifen.

Vom Redispatch erfasst werden Betreiber von Stromerzeugungsanlagen ab 100 kW sowie kleinere Anlagen, wenn diese steuerbar sein müssen. Damit unterfallen dem Redispatch letztlich alle EE- und KWK-Anlagen ab 25 kW.

Für die Abschaltreihenfolge hatte sich der Netzbetreiber immer daran zu orientieren, an welchen Anlagen die Regelungen am effizientesten, also am wirksamsten, aber auch am kosteneffizientesten ist.

Um dennoch den vom EU-Recht grundsätzlich vorgegebenen Vorrang z.B. von Eigenversorgungs-EE- und KWK-Anlagen zu realisieren, wurde neben tatsächlichen Kosten der Abregelungen zusätzlich mit sog. Mindestfaktoren gearbeitet. Die Rechtsgrundlage dafür im Hinblick auf KWK-Anlagen fand sich in § 13 Abs. 1b EnWG.

Dieser wurde nun mit dem Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz ersatzlos aufgehoben. Das bedeutet für die Frage, wann eine KWK-Anlage in der Abschaltrangfolge „dran“ ist, wird – ebenso wie bei sonstigen konventionellen Anlagen – auf die jeweiligen Kosten ohne Vergünstigung durch zusätzlich Faktoren geschaut. Damit hat die KWK ihren Quasi-Vorrang im Redispatch verloren. KWK-Anlagebetreiber sollen so angehalten werden, ihre Anlagen dauerhaft netzdienlich zu fahren.

Die Nachrangigkeit von wärmegekoppelter Stromerzeugung aus hocheffizienten KWK-Anlagen könnte so nur noch über mögliche zusätzliche Aufwendungen für eine Ersatzwärmerzeugung bestehen.

Autorinnen: Aletta Gerst
                       Dr. Franziska Lietz

In diesem #RGCfragtnach stellt Dr. Franziska Lietz 5 Fragen an Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Martin Gehlen von der auf Sanierung, Restrukturierung und Insolvenzrecht spezialisierten Kanzlei WILLMERKÖSTER. Es geht um den Umgang mit drohenden Liefer- bzw. Zahlungsschwierigkeiten bei produzierenden Unternehmen und welche Handlungsweisen in diesen Fällen zu empfehlen sind.

RGC: Im Moment hören wir von vielen Mandanten, dass diese entweder ihren Gasliefervertrag durch Insolvenz des Lieferanten oder Lieferstopp verloren haben und auf die Möglichkeit verwiesen sind, Gas zu sehr hohen Preisen am Spotmarkt einzukaufen. Die Folge ist häufig, dass es sich nicht mehr rentiert, das Produkt herzustellen, weil es zu den erhöhten Produktionskosten am Markt nicht mehr abgenommen wird. Eine andere Variante ist auch, dass der Mandant bei seinen Abnehmern Preisbindungen unterliegt, die bei den hohen Produktionskosten es nicht mehr zulassen, wirtschaftlich zu produzieren. Viele Mandanten erwägen daher aktuell einen „Habeckschen Produktionsstopp“. Wie sind diese Situationen insolvenzrechtlich einzuordnen?


Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter Martin Gehlen, Kanzlei WILLMERKÖSTER

Gehlen:
Für Unternehmen bestehen mit der Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung zwei sogenannte Insolvenzeröffnungsgründe, die jedenfalls juristische Personen, wie eine GmbH, eine GmbH & Co. KG oder eine AG, dazu verpflichten, rechtzeitig einen Insolvenzantrag zu stellen.

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn 10% oder mehr der aktuell fälligen Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt werden können.

Überschuldung liegt vor, wenn für das Unternehmen keine Fortführungsperspektive mehr besteht und die Schulden von dem Vermögen des Unternehmens nicht mehr gedeckt sind.

Ab dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung ist der Geschäftsführer bzw. Vorstand dazu verpflichtet, innerhalb von drei Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Wird ein Insolvenzantrag erst nach Ablauf dieser drei Wochen gestellt, ist dies nicht mehr „rechtzeitig“.


RGC: Welche Risiken ergeben sich aus dieser Situation für das Unternehmen und welche Neuerungen plant die Politik im Hinblick auf die Eigenverwaltung?


Gehlen:

Trotz der aktuell massiven Probleme für Unternehmen, insbesondere aufgrund von steigenden Energie- und Personalkosten sowie der Lieferkettenproblematik, hat sich die Bundesregierung bislang gegen eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht entschieden. Wer also zahlungsunfähig oder überschuldet ist, ist also weiterhin verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.

In ihrem Maßnahmenpaket geht es der Regierung darum, „unnötige Insolvenzen aus Unsicherheit“ zu vermeiden. So soll beim Insolvenzgrund der Überschuldung übergangsweise gelten, dass der Fortbestand des Unternehmens (Fortführungsprognose) nicht mehr über 12, sondern nur noch über vier Monate hinweg überwiegend wahrscheinlich ist.

Zudem plant das Bundesjustizministerium Erleichterungen bei der Eigenverwaltung. Voraussetzung für die Anordnung der Eigenverwaltung war bisher die Einreichung eines Planes, aus dem sich ergibt, dass die Fortführung des Unternehmens für einen Zeitraum von sechs Monaten gesichert ist. Dieser Zeitraum soll von sechs auf vier Monate herabgesetzt werden.

RGC: Welche Vorteile bietet es, wenn das Unternehmen in die Eigenverwaltung geht im Gegensatz zu einer „klassischen Insolvenz“?


Gehlen:

Die Sanierung im Rahmen eines Schutzschirmverfahrens oder einer Eigenverwaltung bietet gegenüber einem Regelinsolvenzverfahren zahlreiche Vorteile. Letztlich führt das Regelinsolvenzverfahren zur Bestellung eines (vorläufigen) Insolvenzverwalters und damit zu einem Kontrollverlust für die Geschäftsführung, da im Ergebnis der (vorläufige) Insolvenzverwalter über das Schicksal des Unternehmens entscheidet. Die Vorteile bei einer (vorläufigen) Eigenverwaltung und einem Schutzschirmverfahren bestehen darin, dass die Geschäftsleitung im Amt bleibt und diese von einem Sanierungsberater unterstützt wird, der das Unternehmen wie ein Lotse durch das Verfahren führt. Diesen Sanierungsberater kann sich das Unternehmen selbst aussuchen, indem es ihm ein Mandat erteilt. Zusätzlich wird bei der Eigenverwaltung vom Gericht ein (vorläufiger) Sachwalter eingesetzt, der als verlängerter Arm des Gerichts lediglich eine Kontroll- und Überwachungsfunktion ausübt, jedoch nicht operativ in das Unternehmen eingreift. Zudem werden weder die Anordnung der Eigenverwaltung, noch des Schutzschirmverfahrens veröffentlicht, so dass Dritte davon, jedenfalls bis zur Eröffnung des Verfahrens, keine Kenntnis erlangen. Die Dauer eines solchen Verfahrens, insbesondere in Verbindung mit der Erstellung eines Insolvenzplanes, kann in der Regel auf sechs bis neun Monate verkürzt werden, was sich ebenfalls meist positiv auf Vertragsbeziehungen des Unternehmens auswirkt. Schließlich bieten sowohl die Eigenverwaltung, als auch das Schutzschirmverfahren Unternehmen die Möglichkeit, durch die Inanspruchnahme von Insolvenzgeld für bis drei Monate Liquidität zu generieren, da die Personalkosten für diesen Zeitraum vom Staat übernommen werden.

Durch die Möglichkeit, ein solches Verfahren mit einem Insolvenzplan zu verbinden, besteht ferner die Möglichkeit, das Unternehmen als solches zu erhalten, was insbesondere für die Gesellschafter attraktiv ist, da sie weiterhin die Anteile an dem Unternehmen halten.


RGC: Darüber hinaus können den Leitungsorganen von Unternehmen auch persönlich erhebliche Risiken drohen, wenn das Unternehmen in Schieflage geraten ist und bestimmte Schritte zu spät ergriffen werden. Welche sind das?

Gehlen:
Liegt entweder eine Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung vor, ist die Geschäftsleitung verpflichtet, innerhalb von drei bzw. sechs Wochen einen Insolvenzantrag zu stellen. Macht sie dies nicht rechtzeitig, führt dies zum einen zu einer strafbaren Insolvenzverschleppung und zum anderen drohen Schadensersatzansprüche, für die sie mit ihrem Privatvermögen haftet.


RGC: Welche ersten Schritte kannst Du Unternehmen bzw. ihren Geschäftsführern oder Vorständen, bei denen es wirtschaftlich aktuell „knapp“ ist, aktuell raten?

Gehlen:
Die Situation ist für Unternehmen derzeit äußerst schwierig, insbesondere bei einem vom Versorger gekündigten Energielieferungsvertrag. Wird ein (neuer) Energielieferungsvertrag zu deutlich höheren Konditionen unterschrieben, sind diese höheren Kosten in der Liquiditätsplanung des Unternehmens zu berücksichtigen, was kurz- oder auch mittelfristig zu einer Zahlungsunfähigkeit oder auch Überschuldung führen kann. Wird ein solchen Vertrag hingegen nicht unterschrieben, ist die Fortführung des Betriebes nicht gesichert und die zu erstellende Führungsperspektive negativ, was bei gleichzeitig bestehender Überschuldung ebenfalls zu einer Insolvenzantragspflicht führen kann.

Bei der Abwägung der (überschaubaren) Kosten für eine Beratung auf der einen Seite und der persönlichen Haftungsrisiken für Geschäftsführer und Vorstände auf der anderen Seite sollten Unternehmen ihren aktuellen Status einer möglicherweise drohenden oder bereits bestehenden Insolvenzantragspflicht rechtzeitig von Spezialisten überprüfen lassen.

RGC: Ich danke Dir ganz herzlich für das Interview!


Das Bundeskabinett hat am Mittwoch eine Formulierungshilfe für einen Gesetzentwurf zur Änderung des Energiesicherungsgesetzes (EnSiG) und anderer energiewirtschaftlicher Vorschriften beschlossen.

Die geplanten Änderungen zielen darauf ab, die Stromproduktion aus Erneuerbaren Energien kurzfristig zu erhöhen und die Transportkapazitäten im Stromnetz zu steigern, um zur Reduzierung des Gasverbrauches in den Winterzeiträumen der nächsten Jahre beizutragen sowie die LNG-Einspeisung abzusichern. Zudem werden Optionen zur Lastflexibilität industrieller Großverbraucher erweitert.

Das Gros der Regelungen folgt damit unmittelbar aus den Ergebnissen des sog. zweiten Netzstresstests (RGC berichtete).

Nachfolgend geben wir Ihnen einen Überblick über die relevantesten Regelungen für Industrieunternehmen:

Geplante Änderungen des EnSiG:
Die erst vor kurzem eingeführten §§ 27 und 28 EnSiG, die die Beschränkung von Leistungsverweigerungsrechten der Gasversorger gegenüber ihren Kunden und den Ausgleich von daraus folgenden Vermögensnachteilen regeln, entfallen wieder. Zudem wird in einem neuen § 30a EnSiG die Erlaubnis zum nicht genehmigten Betrieb von überwachungsbedürftigen Anlagen nach der Betriebssicherheitsverordnung geregelt.

Geplante Änderungen des BImSchG:
In den neuen § 16 Abs. 7 und 8 BImSchG sind Erleichterungen bei Genehmigung bzw. Änderung von Windenergieanlagen sowie nach § 31k BImSchG Abweichungen von Vorgaben zu nächtlichen Geräuschwerten und zur Vermeidung von Schattenwurf bei Windenergieanlagen möglich. Darüber hinaus werden die Übergangsregelungen für die neuen Vorschriften aktualisiert.

Geplante Änderungen des EnWG:
§118 Abs. 46a EnWG regelt neue Festlegungskompetenzen für die Flexibilisierung der Last industrieller Großverbraucher. Dies soll insbesondere die Flexibilisierung der Regelungen zu den individuellen Netzentgelten betreffen, z.B. damit es Industrieunternehmen erleichtert wird, Regelenergie anzubieten.

Nach § 50b EnWG gelten die Vorgaben zur Brennstoffbevorratung der Ersatzreserve ausschließlich während der Vorhaltung in der Netzreserve, nicht während der Teilnahme am Strommarkt.

§ 49b EnWG regelt (wie sich insbesondere beim Stresstest als sinnvoll gezeigt hat) Maßnahmen zur vorübergehenden Höherauslastung des Höchstspannungsnetzes u.a. durch Einsatz der Reservekraftwerke.

In § 35h EnWG soll eine Entschädigungsregelung bei Genehmigungsversagung einer Gasspeicherstillegung sowie eine Antragspflicht bei Umstellung einer Gasspeicheranlage von L-Gas auf H-Gas geregelt werden.


Geplante Änderungen des EEG:

Neu kommen soll einmalig zum 15. Januar 2023 eine „Krisensonderausschreibung für Solaranlagen“ (Freiflächen) mit einem Volumen von 1500MW. Diese Regelung steht allerdings noch unter Beihilfevorbehalt.

Die bereits für den 1. Januar 2023 beschlossene Abschaffung der 70-Prozent-Regel für PV-Neuanlagen bis 25kW wird vorgezogen. Sie soll zudem auch ab dem 1. Januar 2023 bei PV-Bestandsanlagen bis einschließlich 7 kW installierter Leistung aufgehoben werden.

Mit der Ergänzung von § 100 Abs. 16 EEG wird für die Jahre 2022 und 2023 eine Sonderregelung für die EEG-Förderung von Biogasanlagen geschaffen. Zudem wird eine befristete Flexibilisierung des Güllebonus eingeführt, vgl. § 100 Abs. 17 EEG. Die Regelung steht ebenfalls unter Beihilfevorbehalt.

Geplante Änderungen des KWKG:
Eine Änderung betrifft zudem das Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz bzw. die Änderung des entsprechenden Änderungsgesetzes diesen Sommers. Hier werden Erleichterungen bei der unterjährigen Inbetriebnahme von innovativen KWK-Projekten rückwirkend zum 1. Dezember 2021 und nicht wie geplant zum 1. Januar 2023 geregelt.

Geplante Änderungen des NABEG und des Bundesbedarfsplangesetzes:
Die geplanten Regelungen enthalten zusätzliche Maßnahmen zur Beschleunigung des Stromnetzausbaus sowie zur Erhöhung der Transportkapazitäten des bestehenden Stromnetzes im Sinne der sich aus dem Stresstest ergebenden Potentiale zur Höherauslastung.

Geplante Änderungen des LNG-Beschleunigungsgesetzes:
Das noch junge LNG-Beschleunigungsgesetz erhält Verfahrenserleichterungen zur Absicherung einer möglichst großen LNG-Einspeisung an den Standorten Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Lubmin.

In der Formulierungshilfe sind im Übrigen weder Regelungen im Hinblick auf die geplante Atomkraft-Reserve noch Anpassungen der Gasumlage, die sich in den letzten Wochen starker Kritik ausgesetzt sah, enthalten, obwohl deren Umsetzung auch über das EnSiG erfolgen soll.

Weitere Information finden Sie in der Pressemitteilung des BMWK.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz

Am letzten Freitag hat unser 17. RGC-Kanzleiforum endlich wieder in Präsenz stattgefunden. Nach den vergangenen Jahren, die vor allem von virtuellen Meetings geprägt waren, hat es uns riesig gefreut, dass wir unsere rund 200 Teilnehmer endlich wieder bei uns in Hannover begrüßen durften. Hochkarätige Vorträge, der persönliche Kontakt, reger Austausch und Ihr tolles Feedback haben gezeigt: Das RGC-Kanzleiforum bleibt (die schönste) Pflichtveranstaltung für die energieintensive Industrie.

Das 17. RGC-Kanzleiforum wurde am Donnerstagabend in gewohnt entspannter Atmosphäre mit dem traditionellen Come-Together im Acht & Siebzig bei leckerem Essen, einem guten Glas Wein, dem ein oder anderen Pils und musikalischer Begleitung von Robin Gierschik, einem aufstrebenden Singer und Songwriter, sowie dem bekannten DJ Michael Gürth eröffnet.

Der Kongress am Freitag unter dem Titel „Gas in der Krise“ begann nach kurzer Begrüßung durch das Moderatoren-Team und die Namensgeber der Kanzlei.

Mit dem ersten Fachvortrag wurde das Kanzleiforum von Lars Bobzien vom Niedersächsischen Ministerium für Wirtschaft, Arbeit, Verkehr und Digitalisierung eröffnet. Im Vortrag wurden die Chancen, aber auch die Grenzen der politischen und regulatorischen Maßnahmen in Bezug auf die Energiepreise, die Verteilung von Energie im Ernstfall sowie die geplanten Entlastungen aufgezeigt. Wir danken Herrn Bobzien für diesen gelungenen Auftakt und seine Bereitschaft, sich den durchaus auch kritischen Stimmen aus der Industrie zu stellen!

Im nachfolgenden Vortrag gaben Nadja Kampf und Jürgen Nordlohne von der Pöppelmann GmbH & Co. KG Kunststoff-Werkzeugbau sowie unsere RGC-Kollegin Aletta Gerst im Teamplay Praxistipps zur Elektrifizierung mit erneuerbaren Energien. Ausgangspunkt des Vortrages waren die konkreten Wind- und PV-Projekte, die Pöppelmann mit energierechtlicher Unterstützung von RGC an seinem Standort umsetzt. Derzeit befasst sich nahezu jedes Unternehmen mit ähnlichen Vorhaben – so traf auch dieser Vortrag den Puls der Zeit.

Es folgte die Vorstellung des Fuel Switches von Erdgas auf LPG durch Holger Schmidt von der John Deere GmbH & Co. KG. Holger Schmidt zeigte in seinem Beitrag eindrucksvoll, wie sich die John Deere auf die Gas(-preis)krise eingestellt und nach sorgfältiger Prüfung der alternativ zu Erdgas in Betracht kommenden Optionen für LPG entschieden hat. Das treffende Fazit: Es braucht Resilienz und Flexibilität, um Herr der Lage zu bleiben. Flankiert wurde auch dieser Praxisvortrag durch energierechtlichen Input der RGC-Kolleginnen Dr. Franziska Lietz und Annika Rott, die geplante Neuregelungen aus dem Immissionsschutzrecht aufgezeigt sowie einen Überblick über Fuel-Switch-Optionen aus energierechtlicher Sicht gegeben haben.

Anschließend befassten sich Eva Schreiner, Leiterin des Hauptstadtbüros des Bundesverbandes der Energieabnehmer (VEA) und Herr Prof. Dr.- Ing. Richard Hanke-Rauschenbach von der Leibniz Universität Hannover mit der Dekarbonisierung von industrieller Prozesswärme. Eva Schreiner stellte in diesem Zusammenhang die VEA-Initiative vor und verwies auf die politischen und rechtlichen Herausforderungen bei der Umsetzung, während Herr Prof. Richard Hanke-Rauschenbach das Publikum technisch hervorragend und anschaulich abholte.

Im abschließenden Block 3 der Veranstaltung lieferte das RGC-Team unter der Führung von Yvonne Hanke in Teamarbeit mit Pia Weber und Sandra Horn Antworten auf die Frage, wie man den derzeitigen Energiepreisen die Stirn bietet. Was dringend bei Preisanpassungsbegehren zu beachten ist, warum die neuen Gasumlagen nur unter Vorbehalt gezahlt werden sollten und welche Entlastungsoptionen für die energieintensive Industrie bestehen, waren die Kernpunkte, die jetzt jedes Unternehmen auf dem Schirm haben muss.

Ein wichtiges Highlight folgte zum Abschluss: Der Handlungsleitfaden für den Ernstfall im bewährten Teamplay von Industrievertretern und RGC. Herr Carsten Herber von der K+S AG zeigte eindrucksvoll auf, welche Gefahren und Risiken ein Gasmangel für Unternehmen und deren Mitarbeiter bergen kann und wie wichtig es ist, eine Strategie für den Ernstfall aufzusetzen. Yvonne Hanke gab den Teilnehmern eine Checkliste an die Hand, damit Gefahrenabwehr, Betriebssicherung am Standort, Absicherung der Lieferketten und Rechtsschutzmöglichkeiten im Ernstfall vorbereitet sind.

Unser 17. RGC-Kanzleiforum endete mit einem Schlusswort unserer Moderatoren. Unser Fazit: Das RGC-Kanzleiforum bleibt als eines der größten Branchentreffen die für uns schönste Pflichtveranstaltung der energieintensiven Industrie. Und manche Termine funktionieren zwar auch virtuell, machen persönlich aber einfach viel mehr Spaß!

Zum Abschluss: Ein herzliches Dankeschön an die ausgezeichneten Referenten und das bemerkenswerte Feedback der Teilnehmenden!

Ihr RGC-Team

Nach dem Energiesicherungsgesetz und der Gassicherungsverordnung ist die BNetzA verpflichtet, den „lebenswichtigen Bedarf“ an Gas sicherzustellen. In einem Informationsschreiben erläutert die BNetzA, dass sowohl bei „geschützten“ als auch bei „nicht geschützten Kunden“ ein solch lebenswichtiger Bedarf bestehen kann. Was genau zu den lebenswichtigen Bedarfen gehöre, werde derzeit noch ermittelt.

Die Bundesnetzagentur hat gestern (05.09.2022) ein Schreiben veröffentlicht, indem sie auf den lebenswichtigen Bedarf bei geschützten und nicht geschützten Kunden in einer nationalen Gasmangellage eingeht. Der Begriff des „lebenswichtigen Bedarfs“ spielt im Falle der Ausrufung der Notfallstufe des Notfallplans Gas eine entscheidende Rolle. Denn mit Ausrufung der Notfallstufe kann die BNetzA Entscheidungen über hoheitliche Maßnahmen treffen, welche insbesondere die Deckung dieses Bedarfs sicherstellen sollen.

Eine der möglichen Maßnahmen ist die Anweisung zur Reduzierung des Gasverbrauchs bei bestimmten Letztverbrauchern. Eine solche Anweisung könne grundsätzlich sowohl gegenüber nicht geschützten, als auch gegenüber geschützten Kunden ergehen. Auch der „European Gas Demand Reduction Plan“ sehe den Gasbezug bei geschützten Kunden als teilweise nicht lebenswichtig an. Nicht geschützte Kunden werden allerdings regelmäßig in größerem Umfang von einer Reduktionsanordnung betroffen sein, da bei ihnen der Anteil am „lebenswichtigen Bedarf an Gas“ geringer ausfällt, als bei den geschützten Kunden.

Nach den Ausführungen der BNetzA gelten entsprechend der Regelung im EnWG (§ 53a) nur folgende Gaskunden als „geschützt“:

  1. Haushaltskunden;
  2. Kunden mit einer Ausspeiseleistung von max. 500 kWh pro Stunde und einer jährlichen Gasentnahme von maximal 1.500 MWh, also insbesondere kleine und mittlere Unternehmen;
  3. Letztverbraucher, die Haushaltskunden zum Zwecke der Wärmeversorgung beliefern;
  4. Fernwärmeanlagen, die keinen Brennstoffwechsel vornehmen können, soweit sie Haushaltskunden, Kunden nach Nr. 2 (s.o.) und Kunden, die grundlegende soziale Dienste erbringen, beliefern;
  5. Kunden, die grundlegende soziale Dienste erbringen, insb. Dienste in den Bereichen der Gesundheitsversorgung, essenziellen sozialen Versorgung, Notfallversorgung, Sicherheit, Bildung oder öffentlichen Verwaltung.

Beispielhaft nennt die BNetzA unter anderem Krankenhäuser, Strom- und Wasserversorger, Abwasserbeseitiger und Abfallentsorger.

Alle Kunden, die nicht zu den oben aufgezählten gehören, gelten dementsprechend als „nicht geschützt“. Bei diesen Kunden sei regelmäßig eine umfangreichere Reduktionsanweisung möglich, als bei geschützten Kunden.

Auch bei nicht geschützten Kunden wird allerdings der „lebenswichtige Bedarf“ berücksichtigt. Hierzu gehöre beispielsweise die Herstellung lebenserhaltender Medikamente, die nicht importiert werden können. Eine weitergehende Erläuterung des lebenswichtigen Bedarfes enthält das Schreiben der BNetzA nicht. Es wird lediglich darauf verwiesen, dass derzeit ermittelt werde, welche weiteren schutzwürdigen Bedarfe es gebe.

Kriterien für die Priorisierung im Rahmen der Gaseinsparung bei nicht geschützten Kunden sieht unter anderem der “European Gas Demand Reduction Plan“ vor. Danach sind in abgestufter Reihenfolge soziale Kriterien (insb. Gesundheit, Sicherheit, Umwelt, Lebensmittel etc.), grenzübergreifende Lieferketten, Substitutions- und Reduktionsmöglichkeiten, Schäden und zuletzt wirtschaftliche Erwägungen heranzuziehen.

Die Bedeutung der Wertschöpfungsketten will die BNetzA insbesondere auf der Grundlage der in Auftrag gegebenen Vulnerabilitätsstudie vergleichbar machen (RGC berichtete). Das finale Ergebnis der Vulnerabilitätsstudie mit einem Bericht und Datensätzen zu den Wertschöpfungsketten soll bis zum 28. Oktober vorliegen. Zwei weitere Zwischenberichte sind für den 30. September und den 14. Oktober vorgesehen.

Autorinnen: Yvonne Hanke
                       Dr. Franziska Lietz
                       Annika Rott

Die Bundesregierung hat letzte Woche (31.08.2022) Änderungen im Immissionsschutzrecht beschlossen. Umfasst sind Ausnahmen von Ableitbedingungen für Abgase sowie für Anlagen zur Abfallaufbereitung. Für die Lagerung entzündlicher Gase soll das vereinfachte Genehmigungsverfahren angewandt werden können.

Mit den geplanten Änderungen sollen Sonderregelungen zur Bewältigung der Gasmangellage geschaffen werden. Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), die in einem spezifischen Zusammenhang mit der Gasmangellage durchzuführen sind, sollen erleichtert und beschleunigt werden.

So soll unter bestimmten Voraussetzungen bereits vor Erteilung der immissionsschutzrechtlichen Genehmigung und vor Einleitung der Öffentlichkeitsbeteiligung mit der Errichtung sowie dem Betrieb von Anlagen begonnen werden können (§ 31e BImSchG-E). Wenn dies zur Beschleunigung des Verfahrens beiträgt, sollen die Verfahrenserleichterungen auch für bereits begonnene Verfahren gelten (§ 31k BImSchG-E). Voraussetzungen sind insbesondere eine „ernste oder erhebliche Gasmangellage“ sowie die Beantragung der Genehmigung im Zusammenhang mit einem Brennstoffwechsel, einem Fehlen von Betriebsmitteln für Abgaseinrichtungen oder einer anderen „durch die ernste oder erhebliche Gasmangellage ausgelösten Notwendigkeit“.

Eine ernste bzw. erhebliche Gasmangellage liegt nach der überarbeiteten Gesetzesbegründung nunmehr explizit mit Ausrufung der Alarmstufe des Notfallplans Gas vor, sodass sie vom Anlagenbetreiber nicht erneut nachgewiesen werden muss.

Die Schwelle bis zu der Anlagen zur Lagerung entzündbarer Gase (insb. Erdgas, Flüssiggas und LNG) im vereinfachten Verfahren genehmigt werden, soll durch die Änderung der 4. BImSchV von 30 Tonnen auf 50 Tonnen angehoben werden. Sie entspricht damit i.d.R. der Schwelle, ab der das Störfallrecht auf die jeweiligen Anlagen anwendbar ist.

Weitere Erleichterungen sieht § 31f BImSchG-E im Rahmen der Beteiligung der Öffentlichkeit vor. Danach können die grundsätzlich erforderlichen Auslegungs- und Einwendungsfristen verkürzt werden. Auf die Durchführung eines Erörterungstermines soll grundsätzlich verzichtet werden.

Für bestimmte Anlagen, die in der Gasmangellage für max. zwei Jahre benötigt werden und ein Fassungsvermögen von nicht mehr als 200 Tonnen haben, soll eine befristete Genehmigung im vereinfachten Verfahren erteilt werden können (§ 31h BImSchG-E).

Die zuständigen Behörden sollen Ausnahmen von Emissionsgrenzwerten (TA Luft) und Immissionsrichtwerten (TA Lärm) erteilen können, ohne dass eine Änderungsanzeige oder Änderungsgenehmigung notwendig ist (§§ 31g, 31i, 31j BImSchG-E). Voraussetzung ist insbesondere, dass die Überschreitung der Werte im Zusammenhang mit einem Brennstoffwechsel steht oder notwendige Betriebsmittel für Abgaseinrichtungen wegen der Gasmangellage nicht ausreichend zur Verfügung stehen oder eine andere durch die Gasmangellage ausgelöste Notwendigkeit besteht. In jedem Fall ist eine ernste und erhebliche Gasmangellage erforderlich. Laut Gesetzesbegründung soll die Gewährung von Ausnahmen weit angewandt werden.

Bei Anlagen zur biologischen Behandlung von Abfällen könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Abluftreinigung wegen fehlendem Gas nur noch eingeschränkt funktionsfähig ist. Um Stilllegungen zu vermeiden, sieht der Entwurf zur Änderung der 30. BImSchV-E daher vor, dass auch bei diesen Anlagen Abweichungen von genehmigten Emissionswerten zugelassen werden können.

Mit der Änderung der 44. BImSchV-E soll eine weitere Möglichkeit für befristete Ausnahmen von Ableitbedingungen für Abgase eingeräumt werden. Dies betrifft insbesondere die erforderliche Höhe von Schornsteinen. Als möglicher Anwendungsbereich wird der kurzfristige Einsatz mobiler Wärmeerzeuger genannt, welche typischerweise nicht die nach der Verordnung erforderliche Schornsteinhöhe aufweisen.

Mit der Änderung des BImSchG will sich der Bundestag noch im September befassen. Den Verordnungen muss der Bundesrat noch zustimmen. Mit einem Inkrafttreten der Vorschriften ist daher voraussichtlich im Oktober zu rechnen.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Annika Rott
                       Yvonne Hanke