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Während Sturm „Eugen“ mit Windgeschwindigkeiten von 80 km/h aufwärts über Deutschland hinweg gefegt ist, wurde auch die deutsche Klimapolitik in den letzten Tagen gewaltig aufgewirbelt. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz hat für eine Fülle von Forderungen und Ideen für Nachbesserungen in der Klimapolitik gesorgt. Noch in dieser Legislaturperiode könnte dieser „frische Wind“ für erhöhte Klimaziele, den Ausbau der erneuerbaren Energien und Nachschärfungen beim Emissionshandel sorgen.

Zum ersten Mal hat in der letzten Woche ein hochrangiges Gericht mit der Generationengerechtigkeit argumentiert und entschieden, dass mit dem Bundes-Klimaschutzgesetz die Freiheitsrechte der jüngeren Generation verletzt werden. Man dürfe die Verantwortung nicht auf künftige Generationen abwälzen, so die Karlsruher Richter. Über das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz haben wir bereits hier berichtet.

Nun werden aus allen Richtungen Vorschläge für eine Überarbeitung des Klimaschutzgesetzes und darüber hinaus gemacht:

Aus Sicht der SPD müsse das neue Klimaschutzgesetz noch vor dem Sommer durch den Bundestag gebracht werden. Svenja Schulze (SPD) möchte bereits bis Ende dieser Woche einen Entwurf für ein neues Klimaschutzgesetz vorlegen. Das derzeitige Emissionsreduktionsziel von 55 Prozent für 2030 soll auf 62 bis 68 Prozent erhöht werden. Darüber hinaus müsse man beim Ausbau der erneuerbaren Energien nachjustieren und einen klaren Fahrplan in die Klimaneutralität vorgeben.

Auch die Grünen drängen auf ehrgeizige und konkrete Maßnahmen, ebenfalls noch vor der Bundestagswahl im Herbst. In einem Brief an die Bundesregierung forderten sie, dass noch in dieser Legislaturperiode konkrete Schritte für einen ambitionierten Klimaschutz eingeleitet werden. Die Maßnahmen müssten zudem über eine reine Reform des Klimaschutzgesetzes hinausgehen. Konkret fordern die Grünen:

  1. Die Erhöhung des CO2-Preises auf 60 Euro pro Tonne CO2-Äquivalent im Jahr 2023 (derzeit sind es noch 25 Euro). Die Einnahmen könnten für eine Pro-Kopf-Rückerstattung, eine Senkung der EEG-Umlage sowie für zielgerichtete Transformationszuschüsse für Menschen mit niedrigen Einkommen verwendet werden.
  2. Die Anhebung des Treibhausgas-Reduktionsziels 2030 auf 70 Prozent.
  3. Die Beschleunigung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien durch höhere Ausschreibungsmengen für Solar und Wind
  4. sowie den Abbau von klimaschädlichen Subventionen.

Die CDU hat als Reaktion auf das Klimaschutzgesetz-Urteil am Montag ein Positionspapier zur Klimaneutralität beschlossen. Noch in dieser Legislaturperiode solle das Klimaschutzgesetz weiterentwickelt werden. Das nationale Klimaziel für 2030 solle von 55 Prozent auf mindestens 65 Prozent gegenüber 1990 angehoben werden. Darüber hinaus solle die Klimaneutralität „deutlich vor {der} Mitte des Jahrhunderts“ erreicht werden. Dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts wolle man zudem durch gesetzlich verankerte Zwischenziele für die Jahre 2035 und 2040 nachkommen.

Auf der Maßnahmenseite schlägt die CDU eine Verschärfung des Anstiegspfades des CO2-Preises im Brennstoffemissionshandel vor. Zudem müsse man früher als bisher vorgesehen zu einer Preisbildung am Markt übergehen. Nach der bisherigen Regelung werden die Emissionszertifikate bis 2025 zu gesetzlich geregelten Festpreisen verkauft. Ab 2026 sollen die Emissionszertifikate versteigert werden. Im Jahr 2026 muss sich der Preis allerdings noch in einem Korridor zwischen dem Mindestpreis von 55 Euro und dem auf 65 Euro festgelegten Höchstpreis bewegen.

Mit „hoher Priorität“ solle zudem der Ausbau der erneuerbaren Energie vorangebracht werden. Unter anderem sollen Photovoltaik-Anlagen auf landwirtschaftlichen Flächen mit höheren Ausschreibungsmengen gefördert werden.

Und selbst die CSU hat Vorschläge gemacht. Das Ziel der Klimaneutralität solle in Bayern auf 2040 vorgezogen werden und das Emissionsreduktions-Ziel für 2030 müsse laut Markus Söder auf 65 Prozent erhöht werden. Zudem müsse man mithilfe finanzieller Anreize schneller aus der Kohlekraft aussteigen, die Ladesäuleninfrastruktur ausbauen, für schnellere Verfahren beim Streckenausbau der Bahn sorgen, den Ausbau von Photovoltaikanlagen voranbringen sowie mehr mit Ziegeln und Holz, statt mit Beton bauen.

Plötzlich soll nun also alles ganz schnell gehen. Die Parteien überbieten sich mit Forderungen und der Klimaschutz rückt noch weiter ins Zentrum des Wahlkampfes für die Bundestagswahl im September.

Marco Buschmann, der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundesfraktion ist wenig optimistisch und befürchtet, dass es vor der Bundestagswahl keine Einigung bezüglich der Umsetzung des Klimaschutzgesetz-Urteils geben wird. Er geht davon aus, dass jeder Vorschlag „in den Mühlen des Wahlkampfes“ zerrieben werde.

Sollte sich im Falle einer Zerreibung der vorgeschlagenen Klimaziele allerdings ein Verantwortlicher finden, braucht sich dieser wohl keine großen Chancen mehr auf die Wählerstimmen auszumalen.

Ohne Zweifel ist, dass der erneute politische Wettbewerb um ambitioniertere Klimaziele Auswirkungen auf die Industrie haben wird. Insbesondere die mögliche Erhöhung der Preise für Emissionszertifikate könnte Unternehmen zu einem schnelleren Umstieg auf eine emissionsarme Produktion zwingen.

Wie Sie wissen, haben wir es uns zur besonderen Aufgabe gemacht, unsere Mandanten auf dem (alternativlosen) Weg in eine CO2-neutrale Zukunft bestmöglich zu unterstützen. Mit diesem Ziel wollen wir kurzfristig das Praxis- und Informationsform „RGC Zukunft: CO2-neutrale Versorgungs- und Produktionskonzepte“ ins Leben rufen. Was sich dahinter verbirgt, werden wir bald berichten. Sie können schon gespannt sein!

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat heute seine Enscheidung zu insgesamt vier Verfassungsbeschwerden veröffentlicht. Die Beschwerden richteten sich gegen Teile des Ende 2019 beschlossenen Bundes-Klimaschutzgesetzes. Die nationalen Klimaschutzziele und die bis 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen seien insofern mit den Grundrechten unvereinbar, als hinreichende Maßgaben für weitere Emissionsreduktionen ab dem Jahr 2031 fehlten, heißt es in der entsprechenden Pressemitteilung.

Wesentlicher Punkt des Ende 2019 beschlossenen Klimapakets der Bundesregierung war das Klimaschutzgesetz. Durch die Festlegung von Emissionsminderungszielen für einzelne Sektoren wie etwa Verkehr, Landwirtschaft oder Gebäude, sollten die nationalen Klimaschutzziele sowie die europäischen Zielvorgaben eingehalten werden. Grundlage des Gesetzes ist das Pariser Kllimaabkommen, welches am 12.12.2015 durch 195 Staaten und die Europäische Union als Reaktion auf die akute Bedrohung durch die Klimaänderungen geschlossen wurde. Darin verpflichten sich die Vertragsparteien dazu, den Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2 °C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau zu halten und Anstrengungen zu unternehmen, den Temperaturanstieg auf 1,5 °C zu begrenzen.

Nun hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die in dem Klimagesetz vorgesehenen Emissionsminderungsziele zu kurz greifen. Das Gesetz enthalte keine Regelungen für die Emissionsminderung ab 2031, was zu einer Verletzung der Freiheitsrechte der jüngeren Generation führe. Die Verfassungsbeschwerden mehrerer überwiegend junger Klimaschützer:innen, welche von Umweltverbänden wie dem BUND, der Deutschen Umwelthilfe, Fridays for Future und Greenpeace unterstützt wurden, waren damit zumindest zum Teil erfolgreich.

Im Klimagesetz von 2019 sind lediglich bis zum Jahr 2030 Maßnahmen für eine Emissionsminderung vorgesehen. Aus Sicht der Karlsruher Richter würden die Gefahren des Klimawandels demnach zulasten der jüngeren Generation auf die Zeiträume danach verschoben. Die Einhaltung der Verpflichtung aus dem Pariser Klimaabkommen sei dann nur noch mit sehr kurzfristigen und einschneidenden Maßnahmen erreichbar. Dies stelle eine Verletzung der Freiheitsrechte der noch jungen Beschwerdeführer dar.

In Art. 20a des Grundgesetzes heißt es: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Die Richter des Bundesverfassungsgerichts argumentierten, dass es nicht einer Generation zugestanden werden dürfe, „unter vergleichsweise milder Reduktionslast große Teile des CO2-Budgets zu verbrauchen, wenn damit zugleich den nachfolgenden Generationen eine radikale Reduktionslast überlassen und deren Leben umfassenden Freiheitseinbußen ausgesetzt würde“.

Das relative Gewicht des Klimaschutzgebotes nehme bei fortschreitendem Klimawandel zu, sodass zukünftig selbst gravierende Freiheitseinbußen zum Schutz des Klimas verhältnismäßig und verfassungsrechtlich gerechtfertigt sein könnten. Die natürlichen Lebensgrundlagen müssten der Nachwelt in einem Zustand hinterlassen werden, welcher es auch den nachfolgenden Generationen ermöglicht, diese weiter bewahren zu können, ohne in radikaler eigener Enthaltsamkeit zu leben.

Nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens seien mit der Emission von Treibhausgasen verbunden. Nach 2030 drohten durch die dann erforderlichen Emissionsminderungspflichten daher drastische Einschränkungen, die praktisch jede Freiheit, die durch das Grundgesetz geschützt ist, potenziell betreffen könne. Um diese hohen Lasten abzumildern, hätte der Gesetzgeber zur Wahrung der grundrechtlich gesicherten Freiheiten Vorkehrungen treffen müssen, welche einen freiheitsschonenden Übergang in die Klimaneutralität gewährleisten können.

Da es an solchen Vorkehrungen bislang fehle, verpflichteten die Richter den Gesetzgeber nun bis spätestens Ende 2022 Verbesserungen an dem Klimagesetz vorzunehmen. Die Treibhausgasminderungsziele müssen über das Jahr 2030 hinausgehen. Die bestehenden Minderungsziele bis 2030 bedüften dagegen keiner Nachbesserung und seien nicht zu beanstanden.

Unabhängig von der nun getroffenen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dürfte allerdings mit einer weiteren Verschärfung der bestehenden Minderungsziele zu rechnen sein. Insbesondere die im Europäischen Klimagesetz vereinbarten Minderungsziele erfordern weitere Nachschärfungen auf nationaler Ebene. Das Umweltbundesamt hält eine Anhebung des deutschen Emissionsreduktionsziels für 2030 auf 70 Prozent für nötig und möglich. Wir rechnen zudem im nationalen Emissionshandel mit einer schnelleren Anhebung der CO2-Preise, als sie das BEHG aktuell vorsieht. Vor diesem Hintergund wird die Corabon Leakage Verordnung (BECV) mit seinen Entlastungsmöglichkeiten für Unternehmen immer bedeutsamer. Details hierzu finden Sie hier.

Die heute veröffentlichte Entscheidung ist ein wichtiges Signal, insbesondere für die junge Generation, aber auch für die Politik und die Industrie. Maßnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen müssen rechtzeitig und auch für eine ausreichend lange Zeit festgelegt werden. Nur dann kann ein schneller, fairer und auch für die Wirtschaft machbarer Übergang zur Klimaneutralität gelingen.

In diesem #RGCfragtnach spricht Dr. Franziska Lietz mit Fanny Tausendteufel von Agora Verkehrswende zu ihrem kürzlich
veröffentlichten Politikpapier „Unternehmens-Ladesäulen für alle Fälle“.

Lietz: Guten Tag, mein Name ist Franziska Lietz von RGC und in diesem #RGCfragtnach spreche ich mit Fanny Tausendteufel von Agora Verkehrswende zu ihrem kürzlich veröffentlichten Politikpapier „Unternehmens-Ladesäulen für alle Fälle“ (https://www.agora-verkehrswende.de/veroeffentlichungen/unternehmens-ladesaeulen-fuer-alle-faelle/).

Liebe Frau Tausendteufel, erstmal vielen Dank für Ihre Bereitschaft zu diesem Interview!

Zunächst würde ich gern wissen, was in Ihrem Hause der Ausgangspunkt bzw. die Veranlassung war, sich mit dem Thema „Unternehmens-Ladesäulen“ auseinanderzusetzen?

Tausendteufel:

Vielen Dank erstmal für die Einladung. Ich freue mich natürlich sehr, dass wir hier die Möglichkeit haben, das Papier vorzustellen und mit Ihnen zu diskutieren. Der Anlass war, dass der Großteil der Ladevorgänge privat stattfinden soll bzw. wird, also beim Arbeitgeber oder auch zuhause. Und entsprechend ist dieser Anwendungsbereich relativ entscheidend für den Erfolg der Elektromobilität und deswegen wollten wir uns das als Agora Verkehrswende nochmal genauer angucken und sehen, was die Chancen und die Risiken in diesem Bereich sind.

Lietz:

Und welche Bedeutung hat die Ladeinfrastruktur in Unternehmen Ihrer Auffassung nach für die Mobilität der Zukunft generell?

Tausendteufel:

Aus unserer Sicht gibt es da ganz viele verschiedene Gründe, die diese Bedeutung unterstreichen. Zum einen ist es aus der kommunalen Sicht vorteilhaft vor allem Ladeinfrastruktur im privaten Bereich aufzubauen, insbesondere beim Unternehmen, weil dadurch natürlich der Bedarf an öffentlicher Infrastruktur und die Nutzung des öffentlichen Raumes reduziert wird.

Die längeren Ladezeiten beim Arbeitgeber oder zuhause geben eine Möglichkeit für die bessere Integration in das bestehende Energiesystem und letztlich auch für die Umsetzung der Energiewende. Denn umso länger ich lade, desto besser kann ich mich daran ausrichten, wann es ausreichend Netzkapazitäten gibt und nach dem Angebot erneuerbarer Energien.

Drittens gibt es durch die Ladeinfrastruktur am Unternehmensstandort natürlich auch Chancen für Unternehmen, bspw. die CO2-Emissionen des Unternehmens zu senken.

Und viertens: Das Laden zuhause wiederum ist besonders vorteilhaft um den elektrischen Fahranteil von Plug-in-Hybriden zu erhöhen. Andere Publikationen von uns zeigen, dass das relativ wichtig ist.
Das sind die Gründe, warum das ein wichtiger Anwendungsbereich ist für den Erfolg der Elektromobilität.

Lietz:
Dann kommen wir jetzt einmal zu den Schwierigkeiten, um die es ja auch in dem Papier geht. Als einen der ersten Punkte, die den Hochlauf von Elektromobilität im Unternehmenskontext schwierig machen, benennen Sie die rechtlichen Anforderungen Unternehmen. Was sind hier die spezifischen Herausforderungen, die Sie bei der Arbeit an Ihrem Politikpapier festgestellt haben? Gelten diese für alle Unternehmen gleichermaßen?

Agora:
Vor allem Industrieunternehmen sind oft privilegiert hinsichtlich der EEG-Umlage, zahlen also weniger oder auch gar keine EEG-Umlage. Und genau diese Unternehmen müssen Ihre Drittverbräuche dann messtechnisch abgrenzen. Es muss also eindeutig festgestellt werden, wieviel Strom vom Unternehmen und wieviel Strom von Dritten verbraucht wird. Das ist dann vor allem der Fall beim Laden von Mitarbeiter- oder auch Kundenfahrzeugen an Ladepunkten am Unternehmensstandort. Bisher gibt es da eben keine gängige Praxis, d.h. wenig, worauf Unternehmen zurückgreifen können und die Anwendungsfälle unterscheiden sich auch relativ stark von Unternehmen zu Unternehmen. Das heißt, Unternehmen müssen individuelle Messkonzepte entwickeln und zudem riskieren Unternehmen durch den Verlust ihres Privilegs einen relativ hohen finanziellen Schaden. In der Folge – und das sehen wir aus Sicht der Verkehrswende als relativ problematisch an – ist dann damit zu rechnen, dass Unternehmen den Zugang zu ihren Ladepunkten für Mitarbeiter und deren private Zwecke, für Kunden oder auch die Öffentlichkeit stark beschränken.

Lietz:

Ja, das sind natürlich Probleme, die wir auch aus der anwaltlichen Beratung nur zu gut kennen. Da freuen wir uns natürlich auch sehr, dass diese im politischen Kontext angekommen sind. Dann natürlich gleich die Anschlussfrage: Welche Maßnahmen halten Sie für geboten, um diese Hemmnisse zu reduzieren?

Agora:
Wir denken, dass man die Schätzmöglichkeiten für die Abgrenzung von Ladestrom erweitern sollte. Es gibt ja bereits Schätzmöglichkeiten im Zusammenhang mit der EEG-Umlage, aber vor allem eben in anderen Anwendungsbereichen. Wir denken, dass hier explizit auch die Ladestrommengenabgrenzung berücksichtigt werden sollte, also bspw. dass es nicht erforderlich ist, mess- und eichrechtskonforme Geräte zu verwenden oder dass man typische Standardwerte verwenden kann. Das sind alles Erleichterungen, von denen wir glauben, dass sie sehr hilfreich wären in diesem Zusammenhang.

Lietz:
In diesem Kontext dieser ganzen Probleme der Unternehmen weisen Sie auch auf einen möglichen Mangel an Know-How in den Unternehmen hin. Wie könnte dem entgegengewirkt werden?

Agora:

Es gibt ja eigentlich bereit relativ viele regionale Beratungsangebote. Allerdings ist unser Eindruck gewesen bei der Erarbeitung des Papiers, dass diese regionalen Angebote noch nicht bundesweit vernetzt sind und dass dadurch ein deutlicher Mehrwert realisiert werden könnte. So könnten z.B. Best Practices besser ausgetauscht werden usw. Und vor allem glauben wir, dass es auch wichtig wäre, eine gezielte Förderberatung zu Ladeinfrastruktur anzubieten. Denn es gibt zwar ganz viele Förderprogramme, was natürlich gut ist, aber die Förderbedingungen unterscheiden sich sehr stark, gerade zwischen Förderprogrammen auf Länder- und auf Bundesebene. Und wir haben bei unseren Gesprächen mit Unternehmen festgestellt, dass das teilweise doch ein bisschen überfordernd sein kann. Deswegen ist es aus unserer Sicht wichtig, dass man da eine stärkere bundesweite Koordination umsetzt.

Lietz:

Ja, soviel zum Thema Unternehmen. Was Sie ja auch noch angesprochen haben, sind die Mitarbeiter, die dann in ihren Privathaushalten laden. Auch hier haben Sie in Ihrem Papier Problemstellungen angesprochen. Welche sind das denn und welche Lösungsmöglichkeiten haben Sie dafür in Ihrem Papier erarbeitet?

Agora:

Ähnlich zu Industrieunternehmen können auch Privathaushalte privilegiert sein bei der EEG-Umlage bspw. wenn sie eine PV-Anlage auf dem Dach haben und dadurch Eigenversorger sind. Auch hier müssen dann private und betriebliche Strommengen eindeutig voneinander abgegrenzt werden. Im Gegensatz zu Industrieunternehmen ist es aber bei Privathaushalten so, dass man eigentlich davon ausgehen kann, dass in der Regel der Mehraufwand die Vorteile durch die EEG-Privilegierung deutlich übersteigen würde. Aus diesem Grund denken wir, dass wir hier noch einen Schritt weiter als bei Industrieunternehmen gehen sollten in der Vereinfachung, und dass es Pauschalen geben sollte für die Abgrenzung von Ladestrom in Privathaushalten, bspw. orientiert an der Leistung des Ladepunktes.

Lietz:
Ja, das wäre dann wie in der Ladesäulenverordnung, das sind ja auch die kleinen Wallboxen außen vor. Das sind wirklich spannende Ansätze. Ich würde mir ebenfalls wünschen, dass in den eben diskutierten Fragen sowohl für Unternehmen als auch für Privathaushalte künftig Vereinfachungen gibt.
Daher meine letzte Frage: Wie schätzen Sie dies für die Zukunft ein? Werden sich diese Vereinfachungen realisieren lassen oder liegt hier noch ein langer Weg vor uns?

Agora:
Das Politikpapier, was wir hier veröffentlicht haben, ist vor allem darauf ausgelegt, kurzfristige Lösungsvorschläge zu beschreiben. Das heißt, die Erweiterung der Schätzmöglichkeiten für die Abgrenzung von Ladestrommengen, die Einführung von Pauschalen, das sind alles Sachen, die sehr schnell umsetzbar wären. Mittelfristig denken wir, dass sowieso, aus ganz vielen verschiedenen Gründen es wichtig ist, die Abgaben-Entgelte-Umlagen-Struktur zu reformieren für Strom. Aber wir wollen ja möglichst zeitnah vorankommen mit der Elektromobilität und deswegen ist bei diesem Politikpapier der Fokus auf kurzfristige Lösungen gelegt.

Lietz:

Ja, das ist durchaus wünschenswert, genau. Wir werden sehen was die Zukunft und vor allem die nahe Zukunft bringt. Ich danke Ihnen ganz herzlich für das Interview. Dankeschön!

29 Bundestagsabgeordnete der CDU plädieren in einem Papier für eine „Politik für eine grüne Null“ und fordern weitere Maßnahmen für einen effektiven Klimaschutz, um den CO2-Ausstoß in Deutschland und Europa zu senken. Unter anderem sollen bestimmte Subventionen und Steuern gestrichen, die EEG-Umlage abgeschafft und der CO2-Preis erhöht werden.

Anlass des Aufrufs durch die Gruppe der Bundestagsabgeordneten ist die Veröffentlichung der neuesten Zahlen zu CO2-Emissionen durch das Umweltbundesamt.

In dem Papier der Bundestagsabgeordneten heißt es „Unseren Klimazielen sind wir ein großes Stück näher gekommen, gerade beim Abbau von CO2 in der Industrie und im Energiesektor. […] Bei aller berechtigten Freude ist klar, dass wir insgesamt mit dem bisherigen Tempo die höher ambitionierten Ziele der EU nicht werden erreichen können.“. Die Gruppe fordert daher zusätzliche Maßnahmen für einen effektiven Klimaschutz und eine neue Regulationskultur.

Konkret schlägt die Gruppe die Erhöhung des CO2-Preises. Gleichzeitig wird für die Abschaffung der Subventionen für Diesel und Kerosin plädiert, da diese den CO2-Preis reduzieren. Im Gegenzug dazu fordern sie die Streichung von energiebezogenen Steuern und Abgaben wie der EEG-Umlage, der Energiesteuer, der Stromsteuer und der Mineralölsteuer, da diese den CO2-Preis ungleichmäßig verteuern.

Die Gruppe verspricht sich durch diese Maßnahmen „die größte Abgabenentlastung seit Jahren“. Auch wenn der CO2-Preis zunächst erhöht werden muss, um gegen zu finanzieren, dass die eingesparten Subventionen geringer, als die wegfallenden Steuereinnahmen sind, so fällt diese Mehrbelastung doch langfristig komplett weg: Die möglichen neuen Ziele der EU im Rahmen des „European Green Deal“ sehen vor, bis 2050 klimaneutral zu sein. Wenn also ab 2050 kein CO2 mehr ausgestoßen wird, ist keine CO2-Abgabe mehr zu zahlen. Dieser „Umstieg“ der Abgaben und Subventionen sollte nach Meinung der Abgeordneten-Gruppe europäisch koordiniert werden und dürfe die Wirtschaft nicht belasten.

Ein weiteres wichtiges Anliegen der Gruppe ist ein wirkungsvoller und gerechter Carbon-Leakage-Schutz sowohl für den europäischen, als auch den nationalen CO2-Preis, um die deutschen Unternehmen nicht im europäischen und internationalen Wettbewerb zu benachteiligen. Ausnahmeregelungen und Vergünstigungen sollen daher an die Umsetzung von wirtschaftlichen Klimaschutzmaßnahmen geknüpft werden. Über den aktuellen Stand der Carbon-Leakage-Regelung zum BEHG haben wir Sie hier informiert.

In dem Papier wird zudem eine Innovationsoffensive für den Klima- und Umweltschutz gefordert, da Investitionen in saubere, nachhaltige und effiziente Technologien Beschleuniger für die wirtschaftliche Entwicklung, Arbeitsplätze und Nachhaltigkeit sind. Dies soll durch eine „neue Regulationskultur“ gelingen, in der nicht mehr Verbote im Vordergrund stehen, sondern „clevere Regeln“.

Als Beispiel für fehlende Innovationen werden die in Deutschland geltenden gesetzlichen Hürden für die Einlagerung von CO2 angeführt: Während die Abscheidung und Nutzung oder Einlagerung von Kohlendioxid in Norwegen und Island erfolgreich betrieben werde, sei die Anwendung in Deutschland praktisch nicht möglich.

Die Vorschläge der CDU-Abgeordneten-Gruppe sind ein weiterer Beitrag zur Umgestaltung des aktuellen energierechtlichen Systems. Für uns steht es außer Frage, dass CO2 zum maßgeblichen Faktor wird. Die Einführung des nationalen CO2-Handels ist der erste Schritt, dem die nächste Bundesregierung, egal wie diese zusammengesetzt sein wird, weitere CO2-Regelungen folgen lassen wird. Jedes Unternehmen sollte daher schon jetzt intensiv prüfen, wie es seinen CO2-Ausstoß reduzieren kann. Gerade Chancen, regenerative Energien in Form von PV, Wind, Biomasse, Biogas oder grünem H2 einzusetzen, sollten dringend ergriffen werden. Bei H2- und Windprojekten bieten sich, insbesondere für den Mittelstand, Kooperationen an, wie wir aus unserer täglichen Beratungspraxis wissen. Vorsicht ist jedoch bei den zahlreichen Angeboten geboten, deren Wirtschaftlichkeit allein mit EEG-rechtlichen Vorteilen begründet wird. Solche Ansätze werden sich schnell überholen.

Wenn Sie mehr zu diesem Thema erfahren möchten, sprechen Sie uns gern an. Oder wie wäre es mit einem Brainstorming in einem gemeinsamen Workshop!    

Am letzten Mittwoch ist eine Novelle des VerpackG im Kabinett verabschiedet worden, die die Schaffung einer Pflicht zur Mehrweg-Alternative im To-Go-Bereich, Mindestrezyklatanteile sowie eine Ausweitung der Pfandpflicht vorsieht.

Am Mittwoch, den 20. Januar 2021, hat das Bundeskabinett eine Novelle des Verpackungsgesetzes (VerpackG) beschlossen. Diese muss noch vom Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden.

Relevant ist die Novelle insbesondere für die Hersteller und Vertreiber von Verpackungen und verpackten Waren und von Online-Verkaufsportalen.

Es ergeben sich die folgenden wesentlichen Änderungen:

  • Einführung eines Mindestrezyklatanteils: PET-Getränkeflaschen müssen ab 2025 aus mindestens 25 % Recyclingmaterial bestehen. Die Quote soll ab 2030 auf mindestens 30 % erhöht werden. Es besteht dabei ein Wahlrecht der Verpflichteten, ob sie die Rezyklat-Quote pro Flasche oder über die gesamte Flaschenproduktion des Jahres erfüllen möchten.
  • Erweiterte Pfandpflicht für alle Einweg-Getränkeverpackungen: Ab 2022 fallen die bisher geltenden Ausnahmen von der Pfandpflicht für bestimmte Getränkearten in Kunststoff-Flasche oder Dosen weg, z.B. Fruchtsäfte, Schorlen oder alkoholische Mischgetränke. Eine Übergangsfrist gilt nur noch für Milchgetränke bis 2024.
  • Pflicht zur Mehrwegvariante: Ab dem Jahr 2023 sind Anbieter von Lebensmitteln und Getränken to-go verpflichtet, ihre Produkte auch in Mehrwegverpackungen anzubieten. Dabei darf diese nicht mehr kosten, als die Einweg-Variante. Becher müssen alle Füllgrößen abdecken. Hiervon gelten diverse Ausnahmen, z.B. für Kleingeschäfte, wie z.B. Kioske; auch diese müssen jedoch mitgebrachte Gefäße akzeptieren. Diese Pflicht kann je nach konkreter Ausgestaltung auch auf Kantinen in Industrieunternehmen Anwendung finden.
  • Prüfpflicht von Online-Portal-Betreibern und sog. Fullfillment-Dienstleistern: Wer Online-Marktplätze betreibt oder als Fulfillment-Dienstleister tätig wird, muss künftig durch Prüfung sicherstellen, dass die Hersteller der angebotenen Waren als Inverkehrbringer von Verpackungen registriert sind und die Pflichten nach dem VerpackG einhalten.

Den Gesetzesentwurf können Sie hier einsehen.

Das Bundesarbeitsministerium überarbeitet die Biostoffverordnung. Der aktuelle Referentenentwurf sieht u.a. die Aufnahme des Begriffes „biologische Gefahrenlage“ und damit verbundene Maßnahmen vor, wodurch der Anwendungsbereich der Biostoffverordnung erweitert würde und für Unternehmen ein großer Mehraufwand im Bereich der Arbeitsschutzmaßnahmen droht.

Die Biostoffverordnung regelt den Schutz von Arbeitnehmern bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen. Aufgrund der EU-Richtlinie 2000/54/EG muss sie geändert werden, um den Inhalt dieser Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Das Bundesarbeitsministerium nahm die Corona-Pandemie jedoch zum Anlass, noch weitergehende Änderungen vorzunehmen und „Defizite im Rechtssystem“ zu beseitigen. In dem aktuellen Referentenentwurf wurden u. a. der Begriff „biologische Gefahrenlage“ und damit verbundene „besondere Maßnahmen“ aufgenommen.

Ausweitung des Anwendungsbereichs
Nach der Definition des Referentenentwurfs umfassen „biologische Gefahrenlagen“ ein „ein natürlich ablaufendes Infektionsgeschehen in der Bevölkerung im Ausmaß einer Epidemie oder Pandemie, […]“. Danach wäre beispielsweise die jetzige Corona-Pandemie eine solche biologische Gefahrenlage. Sobald eine biologische Gefahrenlage vorliegt, ist in dem Referentenentwurf geplant, dass von den Arbeitgebern sogenannte „besondere Maßnahmen“ zu treffen sind.

Nach der bisherigen Rechtslage ist die Biostoffverordnung grundsätzlich nur bei direktem Umgang mit Biostoffen anzuwenden. Das besondere an den geplanten „besonderen Maßnahmen“ im Falle einer biologischen Gefahrenlage ist, dass danach auch für Tätigkeiten ohne direkten Umgang mit Biostoffen die Biostoffverordnung anzuwenden ist und Maßnahmen durch den Arbeitgeber zu treffen sind.

Mehraufwand für bisher nicht betroffene Branchen und Unternehmen
Durch die geplanten Neuregelungen ist zu erwarten, dass für eine Vielzahl von Branchen und Unternehmen, die bisher nicht in den Anwendungsbereich der Biostoffverordnung fallen und sich mit den Regelungen nicht auskennen, ein erheblicher Mehraufwand anfiele. Durch die Neuregelungen wird festgelegt, welche Vorschriften der Biostoffverordnung Anwendung finden: Im Fall biologischer Gefahrenlagen ist die Gefährdungsbeurteilung immer zu aktualisieren. Dies gilt auch für Arbeitgeber, deren Beschäftigte keine Tätigkeiten nach Biostoffverordnung ausüben. Arbeitgeber müssen außerdem Schutzmaßnahmen festlegen, eine Betriebsanweisung erstellen und die Beschäftigten unterweisen.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsministeriums bietet sich die Biostoffverordnung an, um „Defizite im Rechtssystem“ zu beseitigen, die sich nach Ausbruch der Corona-Pandemie gezeigt haben, da diese auch den Schutz von Beschäftigten vor Infektionen als Ziel hat. Das Ziel des Bundesarbeitsministeriums, Beschäftigte vor Infektionen durch Arbeitsschutzmaßnahmen zu schützen, ist richtig und wichtig. Ob die Ausweitung des Anwendungsbereiches auf alle Arbeitsbereiche zielführend ist, obwohl die Gefährdung dort nicht höher ist als für die Allgemeinbevölkerung, bleibt jedoch zweifelhaft. Mehrere Verbände haben in einer Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf bezweifelt, dass die zusätzlichen Regelungen bei Vorliegen einer biologischen Gefahrenlage tatsächlich einen Mehrwert für den Arbeitsschutz brächten, da zu befürchten sei, dass die Arbeitsschutzregeln durch die Änderungen noch unübersichtlicher werden. Es ist zu erwarten, dass noch Anpassungen an dem Gesetzesentwurf vorgenommen werden. Wir halten Sie über die weiteren Änderungen im Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden.

Allianz aus Industrie und Energiewirtschaft formuliert Forderungen an die Regierung

Ende Januar wurde der bereits im Herbst 2019 angekündigte „Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie“ der Bundesregierung bekannt. Der Entwurf aus dem Wirtschaftsministerium soll dazu dienen, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung und dem Export von Wasserstoff-Technologien einnimmt. Aktuell befindet sich das Papier in der Ressortabstimmung zwischen den verschiedenen Ministerien. Wann das Strategiepapier endgültig vorliegen wird, ist noch nicht absehbar. Gerade erst wurde bekannt, dass der Kabinettsbeschluss sich weiter verzögert. Ursprünglich sollte die Strategie bereits Ende 2019 beschlossen werden.

Als Reaktion auf den Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie hat das Bündnis Power-to-X nun einen Katalog mit 10 Punkten vorgelegt (siehe auch #RGCfragtnach zum Rechtsrahmen beim Einsatz von grünem Wasserstoff in der Industrie). Denn insbesondere die Industrie setzt auf Wasserstoff, um Produktionsprozesse klimaneutral zu gestalten. Dort werden bereits aktiv Umstellungsprozesse vorbereitet. Hierfür sind aber Wasserstoffmengen in großem Umfang erforderlich, die – so die Annahme der Industrie – durch Importe gedeckt werden müssen. Daher sei es erforderlich, dass die Regierung entsprechende Partnerschaften mit möglichen Lieferländern anstößt. 

Der Allianz gehören unter anderem der Mineralölkonzern BP, der Autobauer Audi, der Energiekonzern Uniper sowie weitere Unternehmen und Branchenverbände an. Sie alle fordern einen breiteren Einsatz von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen in verschiedenen Wirtschaftssektoren. Die Produktionskapazitäten müssten schneller ausgebaut werden, als von der Bundesregierung geplant. Die Technologie müsse allen Anwendungsbereichen und allen Sektoren gleichrangig offenstehen, heißt es. Eine zügige Marktreife sei ein erforderlicher Schritt, um die Technologie wirtschaftlich werden zu lassen. 

Die beteiligten Unternehmen sehen u.a. die Planung der Bundesregierung für eine Förderung der Erzeugung von Wasserstoff im Industriesektor kritisch. In diesem Bereich konkurriere grüner Wasserstoff mit der weitaus günstigeren fossilen Alternative. In der Fahrzeugindustrie sei hingegen die Bereitschaft in CO2-arme Kraftstoffe zu investieren viel größer. Denn wenn die EU-Emissionsvorgaben für Fahrzeuge nicht erreicht werden, drohen den Autoherstellern Strafzahlungen. Die PtX-Allianz, der auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) angehört, spricht sich deshalb dafür aus, synthetische Kraftstoffe bei den EU-Abgasvorgaben anzuerkennen.

Eine weitere Forderung betrifft den Preis für grünen Wasserstoff und darauf basierende Treibstoffe. Diese sind aktuell teurer als fossile Alternativen, da der für die Produktion notwendige Strom mit Ablagen, Umlagen und Netzentgelten belastet ist. Das Wasserstoff-Bündnis schlägt deshalb vor, für den in der Wasserstoffproduktion eingesetzten Strom wenigstens die EEG-Umlage zu streichen, zumindest wenn die Produktion netzdienlich erfolge, z.B. bei hoher Einspeisung von erneuerbaren Energien.

Weitere Forderungen betreffen den Einsatz von synthetischen Brennstoffen im Gebäudesektor (durch Beimischung zu herkömmlichen Brennstoffen) und die Anrechnung von grünem Wasserstoff in Raffinerieprozessen. Die Bundesregierung solle zudem eine Mindestquote für regenerativen Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe prüfen.

Über die Auswirkungen der Klimagesetze auf die Industrie informieren wir Sie beim VEA/RGC Klimakongress 2020. Diskutieren Sie dort mit uns über die Möglichkeiten klimafreundlicher Standortkonzepte.

Mit unserer Rubrik #RGCfragtnach veröffentlichen wir in unregelmäßigen Abständen Kurz-Interviews mit Innovatoren, Experten und anderen spannenden Persönlichkeiten, um gemeinsam über den Tellerrand zu schauen. 
Die Industrie fordert, „grünen“ Wasserstoff schnellstmöglich marktgängig zu machen. In einem 10-Punkte-Plan der Power-to-X-Allianz, einem Bündnis von Unternehmen verschiedener Wirtschaftszweige, gehen die Forderungen hierbei deutlich über den Entwurf der Nationalen Wasserstoffstrategie der Bundesregierung hinaus. Zudem treibt die Industrie konkrete Projekte zum Einsatz von Wasserstoff voran. 

Im vierten Teil unserer Interview-Reihe spricht Prof. Dr. Kai Gent mit Dr. Franziska Lietz, Rechtsanwältin bei RGC, die bundesweit zu den führenden Rechtsexpertinnen beim Thema „Power to Gas“ zählt, über ihre Dissertation „Rechtlicher Rahmen für die Power-to-Gas-Stromspeicherung“.  Für ihre Arbeit hat sie den Fakultätspreis der Universität Göttingen und den Dissertationspreis der Stiftung Umweltenergierecht erhalten (RGC berichtete). 

Liebe Franziska, du hast bereits im Jahr 2013 mit dem Dissertationsthema „Power-to-Gas“ begonnen, das heute erst so richtig Fahrt aufnimmt. Wie bist du damals darauf gekommen? 

Im Jahr 2012 hatte ich zuerst mit dem Thema „Smart Metering in der Anreizregulierung“ begonnen, aber der Funke ist nicht so richtig übergesprungen. Als ich dann am Energieforschungszentrum Niedersachsen in Goslar für die TU Clausthal mit meinem Doktorvater Prof. Hartmut Weyer an der vom BMWi geförderten Studie „Eignung von Speichertechnologien zum Erhalt der Systemsicherheit“ mitgewirkt habe, wusste ich, dass das Thema Stromspeicherung an sich bereits sehr spannend ist. An Power-to-Gas hat mich besonders interessiert, dass diese Technologie Rechtsfragen sowohl auf der Strom- als auch auf der Gasseite auslöst.

Das klingt danach, dass sich eine große Vielzahl von Rechtsfragen ergeben hat. Wie bist du vorgegangen, um dieses umfangreiche Themengebiet zu erschlagen?

Tatsächlich ergeben sich aufgrund der vielfältigen Prozesspfade, die man mit der Power-to-Gas-Technologie einschlagen kann, unheimlich viele Rechtsfragen, wie man auch am Inhaltsverzeichnis meiner Dissertation sehen kann. Ich musste die Untersuchung daher beschränken. Trotzdem umfasst die fertige Arbeit jetzt ca. 450 Seiten – viel mehr als mein Doktorvater eigentlich lesen wollte. 

Nachdem ich gemerkt hatte, wie weitläufig die Thematik ist (dazu gehören bspw. auch der Einsatz zur Erzeugung von Flüssigkraftstoffen oder die Erbringung von Systemdienstleistungen), habe ich das Thema begrenzt: Ich habe mich auf den Einsatz von Power-to-Gas zur Stromspeicherung beschränkt. Das bedeutet, ich habe nur Prozessketten betrachtet, an deren Ende wieder die Energieform Strom entsteht. Da ich aber die Durchleitung durch das Erdgasnetz und die Gasspeicherung mitbetrachtet habe, konnte ich in der Arbeit trotzdem ein ziemlich umfassendes Bild der rechtlichen Fragestellungen im Zusammenhang mit Power-to-Gas zeichnen. 

Vom Aufbau her habe ich mich entschieden, das Thema anhand der Power-to-Gas-Prozesskette zu begutachten, d.h. zunächst der Strombezug, insb. Strompreisbelastungen und Privilegierungen, dann die Speicherung von Gas, die Ein- bzw. Durchleitung durch das Erdgasnetz, Gasspeicherung im Netz oder in Erdgasspeichern sowie Rückverstromung. Darüber hinaus habe ich die regulierungsrechtlichen Themen Drittzugang zu Power-to-Gas-Anlagen und Unbundling (mit Blick auf die beiden Sektoren Strom und Gas) betrachtet. 

Die meisten Power-to-Gas-Projekte, die in Deutschland bislang umgesetzt wurden, wären ohne Fördermittel nicht wirtschaftlich. Welche wirtschaftlichen und rechtlichen Schwierigkeiten für den Einsatz von Power-to-Gas (zur Stromspeicherung oder auch sonstigen Zwecken) konntest Du in deiner Arbeit ermitteln?

In wirtschaftlicher Hinsicht dürften dies zunächst die hohen Investitionskosten und gleichzeitig die hohen Wirkungsgradeverluste der Power-to-Gas-Technologie sein, wobei sich letzte noch verstärken, wenn nicht nur Wasserstoff, sondern in einem zweiten Schritt auch noch synthetisches Methan (SNG) erzeugt werden soll. Die Wirtschaftlichkeit erschweren zudem die bei dem Bezug von Strom anfallenden Strompreisbestandteile, wie bspw. EEG-Umlage, Stromsteuer, sowie ggf. Netzentgelte, netzbezogene Umlagen und Konzessionsabgaben. Mit Blick auf diese Belastungen ist für jeden konkreten Fall abzuklopfen, ob und in welchem Umfang Privilegierungen, z.B. die Besondere Ausgleichsregelung im EEG, speicherspezifische Sondertatbestände wie § 61l EEG, § 188 Abs. 6 EnWG, § 19 Abs. 4 StromNEV oder § 27b KWKG; oder die sog. 7.000-Std.-Regelung für Netzentgelte genutzt werden können. 

Wird das erzeugte Gas nicht sogleich oder nach einer Methanisierung wieder rückverstromt, sondern in das Erdgasnetz eingeleitet, ergibt sich das gleiche Spiel auch nochmal auf der Erdgasseite: Auch hier fallen insb. Netzentgelte, aber z.B. auch Konzessionsabgaben an. Auch hier lassen sich allerdings Privilegien nutzen, dies gilt insb. bei sog. „grünem“ Wasserstoff oder Methan, wenn die Privilegien für Biogas nutzbar gemacht werden können. Ein weiteres Hemmnis stellen außerdem die (vielfach technisch bedingten) Beimischgrenzen für Wasserstoff dar. 

Über die Wirtschaftlichkeit hinaus stellt sich ja außerdem oft die Frage, ob bestimmte Möglichkeiten, die die Power-to-Gas-Technologie bietet, derzeit überhaupt genutzt werden können. Was konntest du zu diesem Thema herausarbeiten? 

Immer wieder wird bspw. diskutiert, das gesamte Erdgasnetz als „Speicher“ für Energiemengen zu nutzen und damit das durch die volatile Erzeugung belastete Stromnetz zu entlasten. Das mag technisch durchaus möglich sein. Rechtlich gesehen aber bestehen hier relativ enge Beschränkungen wie bspw. die Pflicht zu Bilanzierung über einen „Gastag“ und die Regelungen, die extra geschaffen wurden, um die Bilanzkreistreue zu fördern. Lediglich dann, wenn der eingespeiste Wasserstoff bzw. das eingespeiste SNG die Qualität von Biogas haben, sind die Beschränkungen geringer, weil die Bilanzierung dann dem Grundsatz nach nur jahreweise erfolgt, dennoch werde auch in diesem Fall bestimmte Abweichungen sanktioniert. 

Wie bewertest Du die heutigen Projekte und Initiativen, grünen Wasserstoff schnellstmöglich marktfähig zu machen?

Ich begrüße diese Vorhaben sehr! Gerade für energieintensive Unternehmen öffnet grüner Wasserstoff den Weg zu einer klimaneutralen Produktion. Der Weg ist jedoch steinig, sowohl in rechtlicher als auch ökonomischer Weise. Aber Probleme sind ja bekanntlich dafür da, dass man diese löst. Juristen, Ökonomen, Techniker und natürlich die Politik müssen dafür jedoch an einem Strang ziehen. Ich leiste hierzu gern meinen Beitrag.

Vielen Dank Franziska für Deine Informationen und Einschätzungen! Wir sind froh, Dich in unserem RGC-Team zu haben und so unserer Mandantschaft bei diesem Zukunftsthema und den hierzu eingehenden Anfragen erstklassige rechtliche Unterstützung bieten zu können. 

Dringender Handlungsbedarf für Gesetzgeber und energieintensive Unternehmen

Eine CO2-reduzierte Produktion ist ein Muss! Die Aktivitäten des Gesetzgebers zur Erreichung der Klimaziele sind richtig und müssen mit allen Kräften unterstützt werden. Die gesetzlichen Maßnahmen müssen jedoch so gestaltet werden, dass sie auch von energieintensiven Unternehmen bewältigt werden können.

Unmittelbar betroffen von den kommenden CO2-Preisen sind zunächst Unternehmen, die fossile Brennstoffe entweder für ihre Prozesse oder zur Wärme- und Stromerzeugung nutzen, also insbesondere Betreiber von KWK-Eigenerzeugungsanlagen. Aber auch Nutzer der Besonderen Ausgleichsregelung können indirekt betroffen sein. Es wäre aber keinem geholfen, wenn die Unternehmen wegen Überbelastungen ihre Wettbewerbsfähigkeit verlieren, ihre Produktion in Länder mit geringeren CO2-Vorgaben verlagern oder ihre Investitionen in hocheffiziente Eigenerzeugungskonzepte zum strandet investment werden. Eine Klimapolitik, die global CO2 einsparen will, muss die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen also mit berücksichtigen.

Das Klimapaket wird diesen Anforderungen noch nicht gerecht. Es enthält ein undurchsichtiges Dickicht von Maßnahmen, die massive, teilweise existenzielle Auswirkungen auf energieintensive Unternehmen haben. Das ist bisher nur wenigen Unternehmen bewusst und wird politisch nicht ausreichend diskutiert. 

  • Zunächst ist völlig unklar, welchen Inhalt die Sofortprogramme haben werden, die nach dem Klimaschutzgesetz im Fall des Nichterreichens der Klimaziele binnen dreier Monaten umzusetzen sind. Müssen die Unternehmen im Ernstfall sogar mit Beschränkungen bei CO2-lastigen Produktionen rechnen? 
  • Außerdem gefährdet das Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) Eigenerzeugungskonzepte durch steigende Brennstoffpreise wie z. B. für Erdgas und durch die angekündigte Senkung der EEG-Umlage reduzieren sich zugleich die Vorteile gegenüber einem Ankauf von Strom.
  • Hinzu kommt, dass eine fallende EEG-Umlage für Nutzer der Besonderen Ausgleichsregelung (BesAR) einen negativen Einfluss auf die Stromkostenintensität haben und im Zweifel zum Wegfall der Entlastung führen kann. Das sind Effekte der – im Übrigen sehr zu begrüßenden – Verringerung der EEG-Umlage, die nicht übersehen werden dürfen.

Einen systemischen Schutz sieht das aktuelle Klimapaket für energieintensive Unternehmen nicht vor. Es gibt zwar eine Härtefallklausel in § 11 Abs. 1 BEHG. Diese dürfte aber nur in extremen Einzelfällen greifen. Im Weiteren beschränkt sich das Gesetz im Wesentlichen auf Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsverordnungen, die zum einen Doppelbelastungen aus dem europäischen und nationalen Emissionshandel vermeiden sollen und zum anderen die vorrangige finanzielle Unterstützung für klimafreundliche Investitionen vorsehen. 

Übergangsvorschriften zur Sicherung bestehender Versorgungskonzepte mit BesAR-Entlastung oder Eigenerzeugung lassen sich nicht finden. Betroffen sind hiervon nicht nur die Großindustrie, sondern gerade auch der Mittelstand und öffentliche Einrichtungen, wie z.B. Krankenhäuser, die in großer Zahl hocheffiziente KWK-Eigenerzeugungsanlagen betreiben.  

Es besteht deshalb dringender Handlungsbedarf. Der Gesetzgeber muss bei der endgültigen Ausgestaltung des Klimapakets dafür Sorge tragen, dass auch die Belange der energieintensiven Unternehmen berücksichtigt sind. 

Hierzu möchten wir als Kanzlei RITTER GENT COLLEGEN, die rd. 3.500 Unternehmen mit hohem Energiebedarf aus Mittelstand und Großindustrie im Energie- und Umweltrecht berät, und der Bundesverband der Energieabnehmer (VEA) einen Beitrag leisten und veranstalten den VEA/RGC Klimakongress 2020“ am 12./13. Mai 2020 in Berlin. Der Kongress hat das Ziel, den Unternehmen strukturiert darzustellen, was auf sie zukommt, und ihnen Optionen zur klimafreundlichen Umgestaltung ihrer Versorgungskonzepte aufzuzeigen. Außerdem möchten wir den am Kongress teilnehmenden Vertretern der Politik verdeutlichen, dass energieintensive Unternehmen (zumindest übergangsweise) auf Kompensationen angewiesen sind. Das kann nur gelingen, wenn zahlreiche Unternehmen unserer Bitte folgen, am 12./13. Mai 2020 zu unserem Kongress nach Berlin zu kommen und das Angebot zum Austausch mit der Politik nutzen! 

Für ihre Dissertation „Rechtsrahmen für die Power-to-Gas-Stromspeicherung“ hat Dr. Franziska Lietz den Dissertationspreis der Stiftung Umweltenergierecht verliehen bekommen.

Das RGC-Team gratuliert Frau Dr. Franziska Lietz zum Gewinn des Dissertationspreises der Stiftung Umweltenergierecht 2019. Der Dissertationspreis wird alle zwei Jahre in Würzburg verliehen und geht in diesem Jahr bereits in die 5. Runde. 
Als preiswürdig erachtete die hochkarätig besetzte Jury die Arbeit „Rechtsrahmen für die Power-to-Gas-Stromspeicherung“. Besonders hervorgehoben wurde von Prof. Dr. Schulze-Fielitz (im Foto links) im Rahmen seiner Laudatio, dass sich die Arbeit in einem bislang noch nicht untersuchten Rechtsgebiet bewege und auf besonders innovative Weise die rechtlichen Rahmenbedingungen an der Power-to-Gas-Prozesskette entlang untersuche. Dr. Franziska Lietz teilt sich den Preis mit Dr. Lars Kindler (im Foto 2. von rechts) von der Kanzlei Gleiss Lutz, dessen Dissertation das Thema „Steuerungskraft der Raumordnungsplanung – Am Beispiel akzeptanzrelevanter Konflikte der Windenergieplanung“ behandelt. 
Hier geht’s zur Pressemitteilung der Stiftung Umweltenergierecht.