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Der im Rahmen des europäischen grünen Deals angekündigte Aktionsplan für Kreislaufwirtschaft aus dem März 2022 sieht strengere EU-Einheitliche Vorschriften zur Reduzierung von Verpackungsmüll vor. Bei einem auf dieser Basis von der EU-Kommission am 30. November 2022 vorgelegten Gesetzesvorschlag wird insbesondere auf Recycling und wiederverwendbare Verpackungen gesetzt.

Das übergeordnete Ziel der Änderungen ist die Verringerung der Verpackungsabfälle um 15 Prozent pro Mitgliedstaat und Kopf bis 2040 im Vergleich zu 2018 (ohne Änderung der Rechtsvorschriften würde das Abfallaufkommen in diesem Zeitraum um ca. 22 Prozent wachsen).

Dies soll insbesondere dadurch erreicht werden, dass die Produktion von überflüssigem Verpackungsmüll vermieden wird, geschlossene Recyclingkreisläufe verpflichtend werden und mehr wiederverwendbare Verpackungsoptionen genormt werden. Ziel ist es auch, den Bedarf an Primärrohstoffen zu senken und einen EU-weit funktionierenden Markt für Sekundärrohstoffe zu schaffen.

Geplante Änderungen sind hierbei im Einzelnen:

  • Recycling: Bis 2030 sollen alle Verpackungen wirtschaftlich recyclebar sein. Außerdem soll ein verpflichtender Anteil recycelter Kunststoffe bei der Herstellung neuer Kunststoffverpackungen eingeführt werden. So wird der Recyclingkreislauf gefördert und recycelter Kunststoff wird zu einem wertvollen Rohstoff. Zudem sollen die in Deutschland bereits existierenden Pfandsysteme für Kunststoffflaschen und Aluminiumdosen europaweit eingeführt werden.
  • Auch eine Kennzeichnungspflicht zur Unterstützung des korrekten Recyclings sieht der Vorschlag der Kommission vor. Jede Verpackung soll demnach mit einem europaweit einheitlichen Symbol versehen werden, aus dem hervorgeht, woraus sie gemacht ist und in welchen Abfallbehälter sie gehört. Die Abfallbehälter werden dann die gleichen Etiketten tragen.
  • Wiederverwendbare Verpackungsoptionen: Insbesondere für Getränke und Mahlzeiten zum Mitnehmen sollen wiederverwertbare Verpackungsformate genormt werden.
  • Bestimmte Verpackungen werden nach dem Vorschlag der Kommission ganz verboten. So beispielsweise Einwegverpackungen für Lebensmittel und Getränke, die in Restaurants und Cafés verzehrt werden, Einwegverpackungen für Obst und Gemüse sowie Miniatur-Shampooflaschen und andere Miniaturverpackungen in Hotels.
  • Es soll außerdem strengere Vorschriften für die Herstellung, Verwendung und Kennzeichnung von biologisch abbaubaren Kunststoffen geben.

Gerade für deutsche Unternehmen besteht in den geplanten Änderungen eine Chance, da Deutschland im Bereich Recycling und wiederverwertbare Verpackungsoptionen bereits Vorreiter ist und einige Regelungen bei uns ohnehin bereits gelten (so das uns bereits bekannte Pfandsystem; es existieren außerdem bereits ambitionierte Recyclingquoten).

Durch die Regelungen wird eine Senkung der Abhängigkeit von Primärrohstoffen und damit von außereuropäischen Lieferanten erwartet, während der europäische Markt für recycelte Rohstoffe und neue innovative Verpackungslösungen gefördert wird.

Der Vorschlag der EU-Kommission über Verpackungen und Verpackungsabfälle wird nun zunächst von dem Europäischen Parlament und vom Rat der EU im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens beraten.

Weitere Informationen zum Gesetzesvorschlag hat die Kommission hier veröffentlicht.

Autorinnen: Dr. Franziska Lietz
                       Sarah Schönlau

Wegen Nicht-Umsetzung der EU-Whistleblowing-Richtlinie droht Deutschland jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren

Zum 17.12.2021 ist die Umsetzungsfrist für die EU-Whistleblowing-Richtlinie abgelaufen. Sämtliche Mitgliedstaaten (mit Ausnahme von Dänemark) haben eine fristgerechte Umsetzung bislang versäumt. So auch Deutschland. Damit findet die Whistleblowing-Richtlinie jetzt zunächst unmittelbare Anwendung für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern sowie auch kleinere Unternehmen aus den Branchen Finanzdienstleistung, Verkehrssicherheit und Umweltschutz (RGC berichtete). Für diese Unternehmen besteht damit jetzt direkter Handlungsbedarf.

Die Whistleblowing-Richtlinie betrifft neben anderen Gegenständen auch eine Reihe von Rechtsakten in den Gebieten Umweltschutz, Strahlenschutz und kerntechnische Sicherheit sowie Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, Tiergesundheit und Tierschutz, vgl. Art. 2 der Whistleblower-Richtlinie, z.B. die MCP-Richtlinie (in Deutschland umgesetzt durch die 44. BImSchV für Feuerungsanlagen zwischen 1-50 MW), das PRTR-Gesetz, REACH und EU-ETS.

Im Rahmen der Vertragsverletzungsverfolgung seitens der EU hat Deutschland ein Aufforderungsschreiben erhalten, in dem die EU-Kommission eine Art Anhörung vornimmt. Deutschland als umsetzungsverpflichteter Mitgliedstaat wird darin zu den Gründen für die Nichtumsetzung befragt und muss eine ausführliche Stellungnahme übermitteln. Im Anschluss wird die EU-Kommission entscheiden, ob weitere Schritte erforderlich werden, damit der Umsetzung des EU-Rechts Genüge getan wird. Dies könnte dann in Form einer förmlichen Aufforderung an Deutschland erfolgen. Diese Umstände – und vor allem die prompte Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens – zeigen, dass die EU die Umsetzung der Richtlinie und das Thema Hinweisgebung und Hinweisgeberschutz ernst nimmt.

Wir werden für Sie weiterverfolgen, wie die Reaktion Deutschlands ausfällt. Da bereits im Koalitionsvertrag die Umsetzung eines entsprechenden Gesetzes angekündigt wurde, ist vorstellbar, dass nun mit Hochdruck ein Gesetzgebungsverfahren in Angriff genommen wird.

Autorin: Dr. Franziska Lietz

Das Bundesarbeitsministerium überarbeitet die Biostoffverordnung. Der aktuelle Referentenentwurf sieht u.a. die Aufnahme des Begriffes „biologische Gefahrenlage“ und damit verbundene Maßnahmen vor, wodurch der Anwendungsbereich der Biostoffverordnung erweitert würde und für Unternehmen ein großer Mehraufwand im Bereich der Arbeitsschutzmaßnahmen droht.

Die Biostoffverordnung regelt den Schutz von Arbeitnehmern bei Tätigkeiten mit biologischen Arbeitsstoffen. Aufgrund der EU-Richtlinie 2000/54/EG muss sie geändert werden, um den Inhalt dieser Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Das Bundesarbeitsministerium nahm die Corona-Pandemie jedoch zum Anlass, noch weitergehende Änderungen vorzunehmen und „Defizite im Rechtssystem“ zu beseitigen. In dem aktuellen Referentenentwurf wurden u. a. der Begriff „biologische Gefahrenlage“ und damit verbundene „besondere Maßnahmen“ aufgenommen.

Ausweitung des Anwendungsbereichs
Nach der Definition des Referentenentwurfs umfassen „biologische Gefahrenlagen“ ein „ein natürlich ablaufendes Infektionsgeschehen in der Bevölkerung im Ausmaß einer Epidemie oder Pandemie, […]“. Danach wäre beispielsweise die jetzige Corona-Pandemie eine solche biologische Gefahrenlage. Sobald eine biologische Gefahrenlage vorliegt, ist in dem Referentenentwurf geplant, dass von den Arbeitgebern sogenannte „besondere Maßnahmen“ zu treffen sind.

Nach der bisherigen Rechtslage ist die Biostoffverordnung grundsätzlich nur bei direktem Umgang mit Biostoffen anzuwenden. Das besondere an den geplanten „besonderen Maßnahmen“ im Falle einer biologischen Gefahrenlage ist, dass danach auch für Tätigkeiten ohne direkten Umgang mit Biostoffen die Biostoffverordnung anzuwenden ist und Maßnahmen durch den Arbeitgeber zu treffen sind.

Mehraufwand für bisher nicht betroffene Branchen und Unternehmen
Durch die geplanten Neuregelungen ist zu erwarten, dass für eine Vielzahl von Branchen und Unternehmen, die bisher nicht in den Anwendungsbereich der Biostoffverordnung fallen und sich mit den Regelungen nicht auskennen, ein erheblicher Mehraufwand anfiele. Durch die Neuregelungen wird festgelegt, welche Vorschriften der Biostoffverordnung Anwendung finden: Im Fall biologischer Gefahrenlagen ist die Gefährdungsbeurteilung immer zu aktualisieren. Dies gilt auch für Arbeitgeber, deren Beschäftigte keine Tätigkeiten nach Biostoffverordnung ausüben. Arbeitgeber müssen außerdem Schutzmaßnahmen festlegen, eine Betriebsanweisung erstellen und die Beschäftigten unterweisen.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsministeriums bietet sich die Biostoffverordnung an, um „Defizite im Rechtssystem“ zu beseitigen, die sich nach Ausbruch der Corona-Pandemie gezeigt haben, da diese auch den Schutz von Beschäftigten vor Infektionen als Ziel hat. Das Ziel des Bundesarbeitsministeriums, Beschäftigte vor Infektionen durch Arbeitsschutzmaßnahmen zu schützen, ist richtig und wichtig. Ob die Ausweitung des Anwendungsbereiches auf alle Arbeitsbereiche zielführend ist, obwohl die Gefährdung dort nicht höher ist als für die Allgemeinbevölkerung, bleibt jedoch zweifelhaft. Mehrere Verbände haben in einer Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf bezweifelt, dass die zusätzlichen Regelungen bei Vorliegen einer biologischen Gefahrenlage tatsächlich einen Mehrwert für den Arbeitsschutz brächten, da zu befürchten sei, dass die Arbeitsschutzregeln durch die Änderungen noch unübersichtlicher werden. Es ist zu erwarten, dass noch Anpassungen an dem Gesetzesentwurf vorgenommen werden. Wir halten Sie über die weiteren Änderungen im Gesetzgebungsverfahren auf dem Laufenden.