RGC fragt nach: Dr. Volker Stuke, Geschäftsführer des VEA, über den Einfluss der Corona-Krise auf die Energiebeschaffung
In diesem #RGCfragtnach sprechen wir mit Herrn Dr. Volker Stuke, Geschäftsführer des VEA, über den Einfluss der Corona-Krise auf die Energiebeschaffung für Unternehmen aus Mittelstand und Großindustrie.
Sehr geehrter Herr Dr. Stuke, der VEA unterstützt seine Mitglieder seit 70 Jahren in allen Fragen rund um die Energieversorgung von Unternehmen, insbesondere bei der Energiebeschaffung. Sie können daher auf eine weitreichende Erfahrung in der Energiebeschaffung und damit auch auf die Auswirkungen gesamtgesellschaftlicher Ereignisse auf die Energiepreise zurückblicken.
Welche Herausforderungen bestehen derzeit im Hinblick auf die Energiebelieferung von Unternehmen?
In vielen Unternehmen wird die Produktion derzeit heruntergefahren, z. B. weil für bestimmte Branchen massive Einschränkungen bestehen, die Lieferketten unterbrochen wurden oder weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht. Dies führt bei diesen Unternehmen zu einem deutlichen Rückgang des Strom- und Gasbezugs.
Gleichzeitig brechen die Strom- und Gaspreise dramatisch ein, so dass der wirtschaftliche Wert der vom Unternehmen nicht benötigten Energie sich deutlich verringert. Ob die Unternehmen zusätzlich zu den Einnahmeausfällen aufgrund der nicht mehr stattfindenden Produktion auch noch diese Verluste zu tragen haben, hängt immer vom konkreten vertraglichen Einzelfall ab.
Wenn die Unternehmen in der Vergangenheit den Empfehlungen des VEA gefolgt sind und mit dem jeweiligen EVU möglichst eine volle Mengenflexibilität vereinbart haben, muss der jeweilige Lieferant diese Risiken tragen.
Bietet die Krise denn vielleicht auch Chancen mit Blick auf die Energiebeschaffung?
Die Strom- und Gaspreise sind in den vergangenen 14 Tagen im Großhandel um rund 20 % gesunken und bewegen sich gerade beim Gas auf historischen Tiefstständen. Für viele Unternehmen bietet sich also jetzt die Chance, durch den Abschluss neuer Energielieferverträge sehr günstige Bezugskonditionen für die Zukunft zu vereinbaren. Dies kann sowohl durch den Abschluss von Festpreisverträgen als auch durch die Beschaffung von Teilmengen im Rahmen von Tranchenverträgen sichergestellt werden.
Voraussetzung ist allerdings, dass die Unternehmen in diesen schwierigen Zeiten sich mit dem Thema Energiebeschaffung aktuell überhaupt beschäftigen können. Wenn die Bereitschaft da ist, hält sich der Aufwand für das Beschaffungsprojekt für die Unternehmen in engen Grenzen, wenn sie den VEA mit der Durchführung des Projekts beauftragen. Über unseren Internetmarktplatz www.vea-online.de können wir innerhalb kürzester Zeit Lieferangebote aller Art einholen. So können die Unternehmen die aktuellen Chancen bei der Energiebeschaffung nutzen und sind für die Zeit nach der Coronapandemie gut aufgestellt,
Welche Szenarien mit Auswirkungen für die Energiebeschaffung könnten eintreten?
Alle Marktteilnehmer – Kunden und Lieferanten – werden aufgrund der gesammelten Erfahrungen die Chancen und Risiken bei der Energielieferung bzw. dem –bezug neu bewerten. Wie nach der Finanzkrise 2008/2009 werden die Lieferanten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und den Unternehmen unterschiedliche Angebote in Bezug auf Flexibilität und Risikoverteilung unterbreiten. Aus Kundensicht stellt sich dann die Frage, welches Angebot nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten, sondern auch unter den jeweiligen vertraglichen Rahmenbedingungen das günstigste ist. Hier sehen wir zukünftig einen großen Beratungsbedarf, da die Unternehmen nicht den Gesamtüberblick über die am Markt angebotenen Beschaffungsmodelle und deren vertragliche Umsetzung haben.
Welche Auswirkungen zeigen sich mit Bezug auf den Emissionshandel (ETS) und die CO2-Preise?
Vor einem Monat wurde der CO2-Ausstoß im ETS noch bei rund 25 Euro/t gehandelt. Aktuell wird ein Zertifikat mit gut 15 Euro/t bewertet. Dieser massive Einbruch bei den CO2-Preisen ist ein Grund für die Talfahrt der Strompreise. Wenn man der aktuellen Situation etwas Positives abgewinnen will, so sind es die deutlich geringeren CO2-Emissionen weltweit. Je nach weiterer wirtschaftlicher Entwicklung kann auch Deutschland seine Klimaschutzziele für 2020 noch erreichen.
Gefährlich für den Wirtschaftsstandort Deutschland und die Arbeitsplätze ist allerdings die Einführung des nationalen Emissionshandels, da die CO2-Preise mit aktuell diskutierten 25 Euro/t deutlich über den Preisen des ETS liegen. Diese zusätzliche Belastung wird für viele im europäischen und weltweiten Wettbewerb stehenden Branchen nicht zu tragen sein und diese Unternehmen in ihrer Existenz gefährden. Daher ist die Politik gut beraten, entweder umgehend für Entlastungsmöglichkeiten zu sorgen oder die Einführung des nationalen Emissionshandels auf der Zeitachse zu schieben, bis die Wirtschaft wieder Tritt gefasst hat.
Vielen Dank für das Interview, Herr Dr. Stuke. Wir hoffen, dass die VEA-Mitgliedsunternehmen, auch mit Unterstützung durch den VEA, die Corona-Krise so unbeschadet wie es geht überstehen.