Verhandlungen zum EU-Klimagesetz beendet – Kann Europa mithalten beim Wettlauf um eine schnelle Umgestaltung der Wirtschaft?

Das EU-Klimagesetz ist Teil des „European Green Deals“ und schreibt unter anderem das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gesetzlich fest. Letzte Woche Dienstag fand die letzte Verhandlungsrunde, der letzte sog. Trilog, statt und in den frühen Morgenstunden des Mittwochs konnte endlich eine Einigung über die zum Teil sehr strittigen Punkte des Gesetzes erzielt werden. Von vielen Seiten wird die nun getroffene Einigung allerdings scharf kritisiert.

Das EU-Klimagesetz ist das Herzstück des European Green Deals und daher von enormer Bedeutung für die europäische Klimapolitik. Der Green Deal soll nach Aussage Ursula von der Leyens zu Europas „Mann auf dem Mond-Moment“ werden. Europa möchte globaler Vorreiter beim Klimaschutz werden, einen größeren Beitrag zur Verlangsamung der Erderwärmung leisten und andere Staaten zum Mitmachen animieren. Im Rahmen der Verhandlungen zum EU-Klimagesetz musste das Europäische Parlament nun aber zu Lasten des Klimas und im Widerspruch zu den genannten Zielen weitreichende Kompromisse eingehen. Auf der anderen Seite verkündete Joe Biden beim US-Klimagipfel letzte Woche ehrgeizige Ziele, mit denen ihm das Comeback der USA in die Klimaschutzpolitik gelang.

Der erste Mann auf dem Mond war bekanntermaßen der US-amerikanische Astronaut Neil Armstrong. Könnte der derzeitige Wettlauf um einen möglichst schnellen Umbau der Wirtschaft, hin zu mehr Umwelt- und Klimaschutz, dem damaligen Wettlauf ins All am Ende möglicherweise doch ähnlicher sein, als Europa lieb ist?

Im Folgenden stellen wir Ihnen die relevanten Punkte des im Rahmen der Verhandlungen zum EU-Klimagesetz getroffenen Kompromisses dar. Am Ende gehen wir zum Vergleich noch kurz auf die von den USA festgelegten Klimaziele ein.

Im Vorfeld der nun erzielten Einigung über die konkrete Ausgestaltung des EU-Klimagesetzes wurde unter anderem in Bezug auf das Treibhausgasemissionsminderungsziel für 2030 hart verhandelt. Die Kommission forderte eine Treibhausgasemissionsminderung von 50-55 % im Vergleich zu 1990. Der Rat legte sich auf 55 % netto fest. Dem Europaparlament gingen diese Vorschläge allerdings nicht weit genug. Es forderte eine Reduktion um 60 % ohne „Rechentricks“ (dazu gleich mehr). Beschlossen wurde letztlich eine Minderung der Treibhausgasemissionen um 55 % netto. Netto (bzw. mit „Rechentricks“) bedeutet in diesem Fall, dass natürliche Senken wie z.B. Wälder und Moore, in denen CO2 gespeichert werden kann, hinzugerechnet werden. Demnach setzt sich das 55 %-Klimaziel für 2030 aus etwa 52,8 % echter Emissionsreduktion und 2,2 % CO2-Aufnahme durch Wälder und natürlichen Senken zusammen. Die Einbeziehung von Kohlenstoffsenken in das EU-Klimaziel wird zum Teil sehr kritisch gesehen. Im alten Klimaziel wurden diese Senken noch außen vorgelassen, da solche Senken etwa aufgrund von Trockenheit und Waldbrandgefahr mit Unsicherheiten behaftet sind. Zumindest konnten die Parlamentarier heraushandeln, dass die Anrechnung der Senken auf 225 Millionen Tonnen CO2 begrenzt wird.

Auch bei der Forderung, dass jeder Mitgliedstaat für sich das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen muss, zog das Europaparlament den Kürzeren. Das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 gilt nicht für jeden Mitgliedstaat einzeln, sondern für die EU insgesamt. Das heißt, dass die EU die Klimaneutralität als Gruppe erreichen muss und einige Länder dieses Ziel später erreichen werden, als andere. Nach 2050 sollen dann „negative Emissionen“ angestrebt werden.

Darüber hinaus wird es vorerst kein rechtlich verbindliches Ziel für das Ende aller fossilen Subventionen geben. Allerdings wird die EU-Kommission die Definition fossiler Subventionen konkretisieren, was die Grundlage für die zukünftige Reduzierung/Abschaffung fossiler Subventionen bilden könnte.

Einen Erfolg konnte das Europaparlament bei der Diskussion um ein Treibhausgas-Budget erringen. Zumindest für den Zeitraum 2030 bis 2050 soll es ein solches Budget geben. Mit dem Treibhausgas-Budget soll bestimmt werden, wie viel CO2 die EU bis 2050 noch ausstoßen kann, bevor sie gegen das Pariser Klimaabkommen verstößt. Zudem soll es als Basis für ein neues Klimaziel 2040 dienen. Das Klimaziel für 2040 soll spätestens innerhalb von sechs Monaten nach der ersten globalen Bestandsaufnahme des Pariser Abkommens im Jahr 2023 vorgelegt werden.

Weniger erfreut dürfte das Parlament über die Tatsache sein, dass es sich mit seinem Wunsch nach einem Recht auf Klimaschutz nicht durchsetzen konnte. Vorerst wird es ein solches Recht des Einzelnen nicht geben.

Bei der Forderung, einen wissenschaftlichen Klimarat einzurichten, konnte sich das Europaparlament demgegenüber durchsetzen. Demnach sollen zukünftig 15 Wissenschaftler:innen die EU-Ziele bewerten und Maßnahmen zur Erreichung der Pariser Klimaziele vorschlagen.

Mit dem EU-Klimagesetz hat Europa bedeutende Klimaziele festgeschrieben und zweckdienliche Instrumente geschaffen. Im internationalen Vergleich steht die EU damit tatsächtlich weit vorn. Zum Vergleich: Die USA (328 Millionen Einwohner) möchten im Jahr 2030, ausgehend von dem nunmehr erklärten 50-Prozent-Ziel auf Basis der Emissionen im Jahr 2005, noch etwa 3,06 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen. Die EU (448 Millionen Einwohner) will dagegen 2030 nur noch etwa zwei Milliarden Tonnen ausstoßen. Noch liegt Europa also vorn im Wettlauf um mehr Nachhaltigkeit. Dennoch sind aus Sicht der Wissenschaft weder die Ziele Europas, noch die Ziele der USA weitreichend genug, um dem Pariser Klimaabkommen gerecht zu werden und dem Klimawandel effektiv entgegenzutreten. Eine erneute Nachschärfung der Klimaziele ist in Anbetracht der derzeitigen politischen Entwicklungen nicht unwahrscheinlich.

Schon heute ist Nachhaltigkeit zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor geworden. Aufgrund des EU-Klimagesetzes und der darin beschlossenen Klimaziele ist auch auf nationaler Ebene mit weiteren Verschärfungen zu rechnen. Unternehmen sollten sich daher auf den Weg machen und ihre Tätigkeiten bzw. Produkte an die derzeitige Entwicklung anpassen.
 
Um das Gesetz endgültig auf den Weg zu bringen, muss noch die formale Bestätigung durch Rat und EU-Parlament erfolgen, mit der voraussichtlich im Juni zu rechnen ist.