2-Stufen-Modell mit höchst idealistischen Zielsetzungen und Voraussetzungen sowie ungeklärter Finanzierung!
Wirtschaftsminister Habeck hat am Freitag das erwartete Arbeitspapier für einen Industriestrompreis vorgelegt, das hier heruntergeladen werden kann. Das Papier soll als Grundlage für einen Austausch etwa mit dem Bündnis Zukunft Industrie, den Energie- und Wirtschaftsministerien der Länder und Parlamentsvertretern dienen.
Die Intention des Industriestrompreises ist uneingeschränkt zu befürworten: „Energieintensive Unternehmen in Deutschland sollen dauerhaft, aber auch in mittlerer Frist in unserem Land wettbewerbsfähig bleiben.“
Dies soll in einem 2-Stufen-Modell erreicht werden, und zwar über einen mittelfristigen Brückenstrompreis (begrenzt bis 2030) und einen langfristigen Transformationsstrompreis.
Einige Fakten zum Brückenstrompreis:
- Begünstigte = Energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, und neue energieintensive Transformationsindustrie
- Antragsverfahren = Nutzung der erprobten Besonderen Ausgleichsregelung (BesAR)
- Höhe/Erstattung = Erstattung des Strommehrpreises > 6 ct/kWh
- Menge = 80 % des Verbrauchs (Ziel: Sparanreiz)
- Finanzierung = 25 bis 30 Mrd. Euro aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds (bereits ausdrücklich abgelehnt aus dem Bundesfinanzministerium)
- Voraussetzungen: Transformationsverpflichtung (klimaneutral bis 2045), Tariftreue und Standortgarantie
Einige Fakten zum Transformationsstrompreis:
- Ziel: Wettbewerbsfähiger erneuerbarer Industriestrompreis in Nähe der Gestehungskosten
- Erneuerbare Energien (EE): Weitere Maßnahmen zur Beschleunigung des Ausbaus von EE mit Kapitalkostenreduzierung durch Staatsbürgschaften und Zinsverbilligungen
- Förderung: EE-Anlagen, zuerst Off-Shore-Wind, dann On-Shore-Wind und PV, über Contracts for Difference (CfD)
- Grünstrombezug: Industrie schließt PPAs mit EE-Anlagenbetreiber und Staatsbürgschaften sowie ggf. mit Haftungsfreistellung von kreditgebenden Banken ab
- Mittelstand: Zugang zu PPAs soll verbessert werden
- Netzentgelte: Reduzierung bei Grünstrombezug aus räumlicher Nähe
Eines ist sicher: Das Arbeitspapier wird die Diskussionen um einen Industriestrompreis befeuern. Leider enthält das Papier wenig tatsächlich greifbare oder konkretisierte Inhalte. Wir hätten uns gerade nach den Erfahrungen mit der schlussendlich (nach lautem Tamtam) abgesagten Gasspeicherumlage, den gesetzestechnisch missglückten Preisbremsen und der nicht abreißenden Auseinandersetzungen um die Ölheizungen eine andere Grundlage für die Befassung mit dem wichtigen Thema eines Industriestrompreises gewünscht. Strategisch besser wäre es auch, den skeptischen bis ablehnenden Bundesfinanzminister von vornherein mit einzubeziehen. Ein gemeinsames Arbeitspapier wäre ein erfreuliches Signal für den Industriestandort Deutschland gewesen!
Möchte man einzelne Punkte aus dem Arbeitspapier kritisieren, dann müssen die realitätsfremden Voraussetzungen insb. der Tariftreue und Standortgarantien, die ungenügende Berücksichtgung des Mittelstandes beim Brückenstrompreis sowie das unüberschaubare Risiko für den Staatshaushalt und die ungeklärte Finanzierung genannt werden.
Und sollte der Industriestrompreis in der angedachten Weise kommen, bleibt vom Wettbewerb auf dem Strommarkt nicht mehr viel übrig. Wir springen in eine weitgehende Regulierung. Aber dieses politische/gesetzgeberische Mittel scheint in Berlin ja immer populärer zu werden.
Autor: Prof. Dr. Kai Gent