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Nach Veröffentlichung neuer Zahlen: Die OECD stellt Steigerung des Beschaffungsvolumens und wachsende Bedeutung von sozialen Werten in der Vergabepraxis fest.

In ihrem jüngsten Bericht „Government at a Glance 2021“ berichtet die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development), dass die Corona-Pandemie im Jahr 2020 zu einem Ausbruch des öffentlichen Beschaffungsvolumens nach oben geführt habe. Zwar habe der Anteil des öffentlichen Beschaffungsvolumens am Bruttoinlandsprodukt bereits in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zugenommen. Aufgrund der gesammelten Daten von 22 der 38 OECD-Mitgliedstaaten stellte man nun fest, dass dieser Anteil seit der Corona-Pandemie noch einmal deutlich angestiegen sei: von 13,7 Prozent im Jahr 2019 auf knapp 15 Prozent im Jahr 2020. Zurückzuführen sei dies laut dem Bericht des OECD u.a. auf eine Steigerung des Beschaffungsvolumens während der Corona-Krise.
Beschaffungen im Gesundheitssektor bilden laut OECD den höchsten Einzelanteil gemessen am Volumen aller öffentlichen Ausgaben: Im Durchschnitt liege er in allen OECD-Staaten bei knapp 30 Prozent, in Deutschland sogar bei über 36 Prozent. Die nächstgrößeren Bereiche des öffentlichen Beschaffungswesens sind die der Wirtschaft, Bildung, Verteidigung und sozialen Sicherung. 
Der Anstieg des öffentlichen Beschaffungsvolumens gemessen am BIP beweist, dass die öffentliche Beschaffung auch in Krisenzeiten ein wichtiger Konjunkturtreiber ist. Die darin liegende Nachfragemacht ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern, durch den Einkauf innovativer, umweltfreundlicher und nachhaltiger Leistungen Märkte zu fördern. In den meisten OECD-Staaten wird die öffentliche Auftragsvergabe dazu genutzt, Märkte zu verantwortlichen wirtschaftlichen Handeln (sog. responsible business conduct – RBC) zu lenken. Die vergaberechtliche Berücksichtigung von umweltbezogenen Zielen wurde bereits in 27 OECD-Staaten gesetzlich vorgeschrieben (wir berichteten: Der Bund kauft künftig klimafreundlicher ein). Zudem verfügt die Mehrheit der Staaten über Regelungen zu Menschenrechten. Allerdings bestehen – so die OECD – in weniger als der Hälfte der OECD-Staaten Vorgaben zur Integrität bezogen auf die gesamte Lieferkette. Maßnahmen gegen Lieferanten, die die RBC-Standards verletzen, sähen derweil nur einzelne Mitgliedstaaten vor.
Der Bericht weist außerdem darauf hin, dass die vergaberechtlichen Regelungen in vielen OECD-Staaten noch nicht hinreichend auf Krisen- und Notsituationen ausgelegt sind. Nur ein Bruchteil der Staaten verfüge bereits über eine Beschaffungsstrategie als Teil einer Krisenvorsorge. Jedoch hätten vor allem die Corona-Pandemie und auch einige regionale Naturkatastrophen verdeutlicht, dass es insbesondere in Krisensituationen auf schnelle und effiziente Beschaffungsmöglichkeiten ankomme, um essentielle Güter zeitnah einkaufen und zur Verfügung stellen zu können (wir berichteten: Bundesregierung: Vergaberecht für Krisen- und Notsituationen reformieren). 
Fazit: Öffentliche Aufträge gewinnen zunehmend gerade für solche Unternehmen an Bedeutung, die ihren Fokus auf umwelt- und klimafreundliche sowie nachhaltige Angebote legen. 
„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“

Als Reaktion auf die Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe in Westdeutschland fordert das Bundeswirtschaftsministerium die EU-Kommission auf, das Vergaberecht zu reformieren, um in Krisen- und Notsituationen schneller und effizienter beschaffen zu können.

Neben der Corona-Pandemie hat auch die Flutkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz aus Sicht der Bundesregierung die Schwächen des geltenden Vergaberechts aufgezeigt: Die Beurteilung der Frage, ob die strengen Regeln des Vergaberechts anzuwenden oder Ausnahmeregelungen einschlägig sind, ist in Krisen- und Notsituationen oft mit erheblicher rechtlicher Unsicherheit verbunden.

Grundsätzlich schreibt das Vergaberecht den Stellen der öffentlichen Hand eine bestimmte Vorgehensweise beim Einkauf von Gütern und Leistungen vor. In einem förmlichen Vergabeverfahren haben sie die Waren und Leistungen, die sie beschaffen wollen, im Grundsatz öffentlich auszuschreiben. Sofern die Kosten für die geplante Beschaffung einen bestimmten Wert, den sog. EU-Schwellenwert, überschreiten, muss das Vergabeverfahren europaweit geführt und Mindestfristen beachtet werden – eine zeitnahe, unkomplizierte Beschaffung wird dadurch oftmals erschwert.

Zwar bestehen bereits für bestimmte Situationen Ausnahmeregelungen von den vergaberechtlichen Vorgaben. Jedoch herrscht im Einzelfall Unsicherheit, wann und in welchem Umfang diese Ausnahmesituationen gegeben sein müssen. Dies liegt u.a. daran, dass in den Regelungen unbestimmte Rechtsbegriffe wie „unvorhergesehenes Ereignis“ oder „äußerste Dringlichkeit“ verwendet werden. Eine sichere und verlässliche Rechtsgrundlage fehlt bisher laut Bundesregierung. 

Die Schwierigkeiten des Vergaberechts in Krisensituationen traten auch in der Hochwasserregion in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen hervor. In kürzester Zeit mussten Gerätschaften angeschafft und Unternehmen mit dem Wiederaufbau von Infrastrukturen beauftragt werden. Unter den Verantwortlichen in den Kommunen vor Ort bestand oft Unsicherheit, inwieweit der Katastrophenfall von den strengen Vorgaben des Vergaberechts befreit. In einem Rundschreiben an die Länder und kommunalen Spitzenverbände hat das Bundeswirtschaftsministerium klargestellt, dass die betroffenen öffentlichen Stellen Leistungen schnell und verfahrenseffizient beschaffen können. Bei Auftragsvergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte sei dies insbesondere über das sog. „Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb“ möglich, sofern damit akute Auswirkungen der Flut bewältigt werden sollen. Angebote könnten formlos und ohne Vorgaben konkreter Fristen eingeholt werden. Dies soll vor allem für die Absicherung von standsicherheitsgefährdeten Bauwerken, bei der Beschaffung von Notstromaggregaten, mobilen Unterkunftsräumen und Behelfsbrücken gelten. Unter bestimmten Umständen könne dann auch nur ein Unternehmen angesprochen werden.

Mit dem Ziel, in künftigen Not- und Krisensituationen besser reagieren zu können, hat sich das Bundeswirtschaftsministerium nun an die EU-Kommission gewandt. In seinem Schreiben fordert Bundeswirtschaftsminister Altmaier, das Vergaberecht zu vereinfachen. Der Einsatz eines vergaberechtlichen Kriseninstruments soll nach seiner Vorstellung „streng auf einen im Voraus festgelegten Zeitraum begrenzt sein, der verlängert werden kann, wenn die Not- oder Krisensituationen fortbestehen“. Die Befreiungen von den Vorschriften der öffentlichen Vergabe sollten dabei auf bestimmte Waren oder Dienstleistungen und auf ausgewählte öffentliche Stellen begrenzt werden.

Welche Reaktion das deutsche Schreiben bei der EU-Kommission hervorruft und ob eine katastrophenbezogene Vereinfachung des Vergaberechts wirklich umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.

Autor: Florian Bretzel (DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht)

Europäische Kommission passt weitere Beihilferegelungen an.

Aufgrund der Corona-Krise sind einige Unternehmen in eine wirtschaftliche Schieflage geraten. Falls diese Schieflage so ernst ist, dass ein Unternehmen ohne Unterstützung des Staates aus ökonomischen Gründen so gut wie sicher zur Einstellung seiner Geschäftstätigkeiten gezwungen wäre, kann es als „Unternehmen in Schwierigkeiten“ im Sinne des Europarechts gelten. Damit ist es diesen Unternehmen grundsätzlich verboten, Beihilfen in Anspruch zu nehmen. Dazu gehören auch energierechtliche Entlastungstatbestände, wenn diese als Beihilfen einzuordnen sind. In der aktuellen Lage würde die Durchsetzung dieses Grundsatzes die krisenbedingte Abwärtsspirale von energieintensiven Unternehmen aber nochmals verschärfen. Wir hatten uns deshalb dafür ausgesprochen, dass diese Grundsätze nicht angewandt werden dürfen, wenn die Schwierigkeiten aus der COVID-19-Pandemie resultieren RGC berichtete.

Erfreulicherweise hat die Europäische Kommission (KOMM) ihre Beihilferegeln nun nochmals angepasst. Einen Überblick über den umfangreichen Katalog finden Sie hier. Unter anderem passt die KOMM die Leitlinien für staatliche Umweltschutz- und Energiebeihilfen an. Dort ist nun geregelt, dass diese auch für Unternehmen gelten, die am 31. Dezember 2019 keine Unternehmen in Schwierigkeiten waren, aber in der Zeit vom 1. Januar 2020 bis zum 30. Juni 2021 zu Unternehmen in Schwierigkeiten wurden. Zur Mitteilung der KOMM geht es hier. Damit dürften alle Entlastungstatbestände, die als Beihilfen im Sinne dieser Leitlinie gelten, weiterhin in Anspruch genommen werden können, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen.

Die Mitteilung der KOMM adressiert auch den starken Rückgang der Strompreise und den damit verbundenen Rückgang der Stromintensität. Die KOMM erkennt, dass Unternehmen die Ermäßigungen ihrer Beiträge zur Finanzierung erneuerbarer Energie verlieren können und empfiehlt, die anzuwendenden Berechnungsmethoden anzupassen, um dieser Situation angemessen zu begegnen. Damit dürfte dem deutschen Gesetzgeber die Tür dafür offen stehen, die Berechnungsgrundlagen für die Besondere Ausgleichsregelung anzupassen.