Vergabe von Strom- und Gaskonzessionsverträgen unter Beteiligung eines Eigenbetriebs bzw. einer Eigengesellschaft – was gilt es zu beachten?
Der BGH stellt hohe Anforderungen an die interne personelle und organisatorische Trennung in einer Verwaltung bei einer Konzessionsvergabe Strom oder Gas, an der sich ein Eigenbetrieb oder eine Eigengesellschaft der Gemeinde beteiligt.
Viele Städte und Gemeinden verfügen über eigene Stadtwerke, die sich an einem gemeindlichen Verfahren zur Neuvergabe des Strom- oder Gaskonzessionsvertrages beteiligen. In diesen Konstellationen ist die Gemeinde in einer Doppelfunktion: Sie ist Vergabestelle für das Konzessionierungsverfahren, aber auch Alleingesellschafter oder zumindest beherrschender Gesellschafter des Stadtwerks. Als Vergabestelle ist die Gemeinde verpflichtet, ein diskriminierungsfreies und transparentes Konzessionierungsverfahren durchzuführen. Zugleich verfolgt die Gemeinde mit dem Stadtwerk wirtschaftliche und ggf. auch politische Ziele. Verwaltungsmitarbeiter und Mitglieder politischer Gremien sind in der Gesellschafterversammlung und weiteren Organen der Gesellschaft, wie beispielsweise einem Aufsichtsrat, vertreten. Hieraus ergibt sich eine Interessenkollision, die die Gemeinde bei der rechtskonformen Durchführung des Konzessionierungsverfahrens vor große Herausforderungen stellt.
Der BGH hatte bereits in den Urteilen „Gasnetz Leipzig“ vom 28.01.2020, Az. EnZR 99/18 und „Gasnetz Berlin“ vom 09.03.2021, Az. KZR 55/19 zu dieser Konstellation Stellung genommen. In dem Urteil „Stadt Bargteheide“ vom 12.10.2021, Az. EnZR 43/20, hat sich der BGH erneut mit der Thematik befasst.
In seinem jüngsten Urteil hat der BGH entschieden, dass die als Vergabestelle tätige Einheit der Gemeindeverwaltung personell und organisatorisch vollständig von dem Eigenbetrieb oder der Eigengesellschaft zu trennen ist (Leitsatz 1). Eine solche vollständige Trennung erfordere „eine Organisationsstruktur, die sicherstellt, dass ein Informationsaustausch zwischen den für die Vergabestelle und den für den Eigenbetrieb oder die Eigengesellschaft handelnden Personen nur innerhalb des hierfür vorgesehenen Vergabeverfahrens für das Wegerecht erfolgt, so dass bereits durch strukturelle Maßnahmen – und damit nach dem äußeren Erscheinungsbild – die Bevorzugung des Eigenbetriebs oder der Eigengesellschaft und damit der „böse Schein“ mangelnder Objektivität der Vergabestelle vermieden wird.“ (Leitsatz 2)
Der BGH stützte seine Entscheidung auf den Umstand, dass ein Informationsaustausch zwischen den für die Eigengesellschaft und das Konzessionierungsverfahren handelnden Mitarbeitern außerhalb des Konzessionierungsverfahrens nicht ausgeschlossen werden konnte. Der Mitarbeiter, der für die Vergabestelle tätig wurde, war dem Mitarbeiter unterstellt, der zugleich Geschäftsführer der Stadtwerke war. Der Mitarbeiter könne nach Ansicht des BGH zum „Diener zweier Herren“ geworden sein, was die Gefahr von Loyalitäts- und Interessenkonflikten birgt. Damit ist die Möglichkeit nicht ausgeräumt, dass das Angebot der Eigengesellschaft der Gemeinde durch die Vergabestelle bevorzugt wurde.
Dabei hat der BGH noch einmal deutlich gemacht, dass bei einem Verstoß gegen das Trennungsverbot eine unbillige Behinderung von Mitbewerbern bereits dann nicht ausgeschlossen ist, wenn nicht zweifellos ausgeschlossen werden kann, dass sich der Verstoß auf das Ergebnis des Vergabeverfahrens ausgewirkt haben kann.
Insofern hat die Gemeinde keine ausreichende Organisationsstruktur geschaffen, die eine neutrale und diskriminierungsfreie Vergabeentscheidung sicherstellt. Sie konnte den „bösen Schein“ mangelnder Objektivität der Vergabestelle nicht entkräften.
Das Urteil verdeutlicht, dass eine Gemeinde im Falle der Beteiligung eines städtischen Unternehmens am Konzessionierungsverfahren Strom und Gas sehr sorgfältig die Vergabestelle und die Beteiligung am Unternehmen trennen sollte. Eine solche Trennung muss vor Beginn des Konzessionierungsverfahrens erfolgen und sowohl personelle, als auch organisatorische Strukturen berücksichtigen. Andernfalls entspricht das Konzessionierungsverfahren nicht den rechtlichen Anforderungen und ist angreifbar.
„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“
Autor: Dr. jur. Sven Höhne