Dringliche Vergaben im Zusammenhang mit den Folgen des Kriegs in der Ukraine
Zur Unterstützung der Ukraine und insbesondere der Menschen, die aus der Ukraine geflüchtet sind, müssen öffentliche Auftraggeber in Deutschland die hierzu erforderlichen Leistungen oft kurzfristig und zeitnah beschaffen. Das Vergaberecht sieht zur schnellen und effizienten Durchführung der entsprechenden Vergabeverfahren mehrere Möglichkeiten vor, auf die in Zeiten des Krieges zurückgegriffen werden kann.
Die Folgen des russischen Kriegs in der Ukraine sind weitreichend und vielfältig. Sie betreffen auch die öffentliche Beschaffung in Deutschland. Denn Bund, Länder und Kommunen unterstützen zum einen die Ukraine und stehen zum anderen vor der Herausforderung, die in Deutschland ankommenden Menschen aus der Ukraine angemessen unterzubringen und zu versorgen. Hierfür werden kurzfristig Leistungen erforderlich, die sehr zeitnah zu beschaffen sind. Mehrwöchige oder gar mehrmonatige Vergabeverfahren sind regelmäßig nicht möglich. Vielmehr bedarf es eines schnellen und effizienten Vorgehens. Diesbezüglich weist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) in einem Rundschreiben aus April 2022 auf die Möglichkeiten dringlicher Vergaben im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hin.
Die gesetzlichen Vorschriften sehen für öffentliche Aufträge, welche die EU-Schwellenwerte überschreiten, in Gefahren- und Dringlichkeitslagen mehrere Möglichkeiten zur Beschleunigung und Vereinfachung der Verfahren vor. Leistungen können beispielsweise über das sogenannte Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb beschafft werden. Der zeitliche Vorteil dieser Verfahrensart liegt u. a. darin, dass keine öffentliche Bekanntmachung erfolgen muss und die sonst geltenden Mindestfristen zum Teil erheblich unterschritten werden können.
Ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb setzt zum einen voraus, dass ein unvorhergesehenes Ereignis vorliegt. Der Ukrainekrieg stellt nach Ansicht des BMWK ein solches Ereignis dar. Zum anderen muss der Krieg durch seine Auswirkungen dazu führen, dass die grundsätzlich geltenden Fristen für das Vergabeverfahren im konkreten Einzelfall nicht eingehalten werden können. Leistungen, die zur Unterbringung und Versorgung der aus der Ukraine geflüchteten Menschen beschafft werden sollen, erfüllen regelmäßig diese Voraussetzungen. Das Einhalten von – auch verkürzten – Fristen ist angesichts drohender Gefahren für wichtige Rechtsgüter wie die Gesundheit der Geflüchteten in der Regel nicht möglich.
Ein Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg ist laut BMWK-Rundschreiben auch bei Leistungen festzustellen, die der Sicherheit Deutschlands und seiner Verbündeten sowie der Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs dienen. Betroffen sind hiervon u. a. Leistungen zur Abwehr potentieller Angriffe auf die IT- und Cybersicherheit. Ebenfalls erfasst sind regelmäßig Leistungen zur Sicherstellung des Zivil- und Katastrophenschutzes, der Gefahrenabwehr und des Gesundheitsschutzes sowie der Versorgungssicherheit (beispielsweise im Energiesektor).
Außerdem können Angebote im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb formlos eingeholt werden. Zwar empfiehlt es sich, vor dem Hintergrund des Gebots der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln, nach Möglichkeit mehrere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern. Lassen die Umstände dies im Einzelfall jedoch nicht zu, da sonst nicht hinzunehmende Verzögerungen drohen würden, kann auch nur ein Unternehmen angesprochen werden.
Für öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte stehen vergleichbare Vergabeverfahren zur Verfügung, die eine kurzfristige, unbürokratische Beschaffung ermöglichen.
Außerdem können Vertragsparteien bereits bestehende Verträge verlängern oder wertmäßig ausweiten, um auf einen kurzfristigen Beschaffungsbedarf zu reagieren. Dies hat den Vorteil, dass kein neues Vergabeverfahren durchgeführt werden muss. Eine Vertragsverlängerung oder -erweiterung ist sowohl bei öffentlichen Aufträgen über, als auch unter dem EU-Schwellenwert möglich.
Für Fragen steht Ihnen Ihr Ansprechpartner Herr RA Florian Bretzel (zum Profil von Herrn RA Florian Bretzel) gerne zur Verfügung.
„Diesen Beitrag hat unser Kooperationspartner, die Kanzlei DAGEFÖRDE Öffentliches Wirtschaftsrecht, verfasst, die für die Inhalte verantwortlich ist und für Rückfragen gern zur Verfügung steht.“
Autor: Florian Bretzel